Vive l’Europe! Vive „le Umweltschutz“! Oder: „Ihre Nachricht ist gesandt gewesen. Wir antworten Ihnen auf Würfel, daß möglich“

November 2017

Ich hätte es überlesen , mein Sohn machte mich auf die Zeitungsnotiz aufmerksam: „Neue Umwelt-und Feinstaubplakette jetzt auch in Straßburg Pflicht“.
Da ich meinen Käse in Straßburg kaufe, trifft mich das existentiell. Mit einiger Ambivalenz rief ich die Seite auf, auf der man die Plakette bekommt – die Bestellung ist nur online möglich – (https://www.certificat-air.gouv.fr/de/demande-ext/cgu): Ist ja schön, dass Umweltschutz in Frankreich auch an Bedeutung gewinnt. Andererseits habe ich doch bereits eine solche Plakette. Wieso noch eine?
Zunächst musste ich den Nachweis erbringen, dass ich kein „Roboter“ bin. Man wies mich darauf hin, den Fahrzeugschein bereitzulegen (den ich später im vorgeschriebenen Format hochladen soll). Dann wollte man wissen:
KFZ-Kennzeichnung, Datum der Erstzulassung, Fahrzeugklasse, Kraftstoff, Fahrzeug-Identifizierungsnummer, Handelsbezeichnung, für die EG-Typengenehmigung maßgebliche Schadstoffklasse, CO2 in g/km….
Meine ohnehin begrenzte Lust, das Formular auszufüllen, sank, meine Wut wuchs. So habe ich zunächst mal auf „Kontakt“ geklickt und in wohlgesetzten Worten (soweit mir das noch möglich war) kundgetan, dass man sich nicht über Europaverdrossenheit zu wundern brauche, wenn es noch nicht mal dazu reicht, eine einheitliche Umweltplakette zustande zu bringen. Vor dem Senden wies ich nochmal nach, dass ich kein Roboter bin, und erhielt als Eingangsbestätigung die bemerkenswerte Mitteilung:
„Ihre Nachricht ist gesandt gewesen. Wir antworten Ihnen auf Würfel, daß möglich.“
Wie schön! Wenn ich bloß wüsste, auf welchem Würfel!
Bis sich das geklärt haben wird, gehe ich Fantasien nach, wie sich 28 Umweltschutzplaketten auf einer Windschutzscheibe machen. Naja, wenn das Vereinigte Königreich draußen ist, sind es nur noch 27. Hoffentlich rückt niemand nach. Oder: man könnte vielleicht bald eine lukrative Sammlertauschbörse ins Leben rufen à l a „Biete Umweltplakette Estland (neuwertig. Seltenes Exemplar)“ – „Suche Umweltplakette Griechenland von 2018. Zahle Höchstpreis.
Vive l’Europe

20.11. 2017. Fortsetzung 1
Ich bekam ich eine Antwort: „Guten tag, wir haben Ihre Bemerkung an unsere Qualitätsabteilung weitergeleitet. Liebe Gruss – Cordialement“. Vermutlich prüft die jetzt die Qualität meiner „Bemerkung“. Und dass ich es nicht vergesse: Falls Sie ohne Plakette in Straßburg erwischt werden, sind 68 Euro fällig. Oder 135 Euro, wenn Sie mit dem LKW unterwegs sind.

26.11.2017 Fortsetzung 2
Ich hab sie! Naja, mindestens habe ich ist in einer einstündigen Aktion erfolgreich bestellt.
Das Ausfüllen der Angaben ging auch soweit ganz gut. Dann Zulassungsbescheinigung einscannen. Das war deutlich mehr als die erlaubten 400 KB. 400 KB! Sind wir noch in der digitalen Steinzeit? Da ich auch mit Komprimieren nur bis 560 KB kam, speicherte ich das Bild in Word und wandelte es in eine pdf-Datei um (hatte ich ewig nicht gemacht. So kommt man wieder in Form.): 46 KB. Es war mir inzwischen wurscht, ob die das lesen können oder nicht – und ich bin ziemlich sicher, denen ist es auch wurscht. Uff, dachte ich, geschafft! Da tauchte im Fenster auf, ich hätte fehlerhafte Angaben gemacht: „Hilfe brauchen? Zugriff auf Erklärungsmodelle“ Uiii! Gleich ganze Modelle von Erklärungen! Wenn man jetzt glaubt, mein fehlerhaft ausgefülltes Formular würde wieder auftauchen und die fehlerhafte Stelle sei zum Beispiel rot umrandet, der irrt. Nachdem ich bei der „Auswahl des Landes“ für die „Erklärungsmodelle“ wahrheitsgemäß „Deutschland“ angegeben habe, erschien die Hilfe – auf Englisch. Ich konnte mich kundig machen, dass die Engländer eine andere Anordnung der auszufüllenden Felder haben als wir. Wer weiß, wozu ich diese Kenntnis nochmal brauchen kann.
Zurück auf Anfang. Jetzt klappt es tatsächlich! Nur noch bezahlen. Geht einzig und allein mit Kreditkarte. Nix Überweisung, keine Lastschrift, kein Paypal. Wie find ich denn das?
Ich finde gar nichts mehr. Außer dass ich viel Zeit verplempert habe und im Moment von Europa die Nase voll habe. Und gnade Gott dem armen Polizisten, der mich in Straßburg anhält, solange ich die Plakette noch nicht habe, was vermutlich noch eine Weile der Fall sein wird. Bevor ich ihm die Bestätigung der Bestellung unter die Nase halte (das gilt als Nachweis, heißt es) kriegt er von mir alles zu hören, was mein französischer Wortschatz hergibt. Aber vielleicht ist er ja Elsässer und versteht deutsch? Dann wäre mindestens das einfacher.
Ursula Neumann

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