Putins Labrador

In den letzten Tagen ging mir immer wieder ein Bild durch den Kopf: Kanzlerin Merkel bei Putin, mit dabei ein großer schwarzer Labrador Frau Merkel hat eine Hundephobie und Herr Putin weiß dass Frau Merkel eine Hundephobie hat. Es ist eine kleine Szene, aber vielleicht war sie symptomatisch.

Frau Merkel kommentiert sie im Nachhinein so: Sie habe keine Angst vor Hunden, aber „eine gewisse Sorge“ habe, seit sie mal gebissen worden sei: ‚Obwohl, wie ich glaube, der russische Präsident genau wusste, dass ich nicht gerade begierig darauf war, seinen Hund zu begrüßen, brachte er ihn mit. Aber so war es nun mal. Und man sieht ja, wie ich mich tapfer bemühe, Richtung Putin zu gucken und nicht Richtung Hund‘.“

„So war es nun einmal. “ Klingt, als hätte es nur die Möglichkeit gegeben, sich dreinzuschicken.

Ich verstehe das einerseits und verstehe es andererseits überhaupt nicht.

Was wäre geschehen, wenn…?

Was wäre geschehen, wenn dass Frau Merkel energisch gesagt hätte: „Lieber Wladimir, schaff den Hund hier raus! Du weißt genau, dass ich Hunde nicht mag! Was willst du mir denn damit sagen?“

Nochmal: ich verstehe ihre Reaktion, denn ich weiß nur zu gut, wie perplex man in solchen Situationen ist – und auch dem Prinzip verpflichtet „bloß kein Aufstand machen“. Das gilt vielleicht in der hohen Diplomatie noch mehr als in Alltagssituationen. Andererseits: Es wäre mitnichten ein „Aufstand“ gewesen, sondern eine angemessene Reaktion auf eine gezielte Provokation, auf den Versuch der Demütigung – und da kann man nicht früh genug ein Stoppschild aufstellen. Sonst ist das Signal an den Provokateur: geh ruhig noch einen Schritt weiter!

Etwas Ähnliches spielte sich ein paar Jahre später in der Türkei ab, als für Frau von der Leyen nur noch Platz auf dem Sofa war. Statt erst hinterher ihrem Ärger Ausdruck zu verleihen (immerhin!) – sowohl gegenüber Erdogan als auch gegenüber dem Ratspräsidenten Michel, der das Spiel Erdogans mitspielte oder sein eigenes spielte, hätte sie stehen bleiben und laut sagen können: „Hier fehlt noch ein Sessel!“ Ich bin sicher, der Sessel hätte nicht lange gefehlt. Die Reaktion „Du lieber Himmel, was soll das Gezicke“ hätte sie gelassen hinnehmen können. Die Botschaft wäre klar gewesen – und ein Wiederholungsfall ziemlich ausgeschlossen.

Schlussfolgerungen? Schlussfolgerungen!

Das sind einerseits kleine Dinge, aber sie haben keine geringe Bedeutung. Es wäre natürlich Unsinn, wollte ich behaupten, Wladimir Putin hätte die Ukraine nicht angegriffen, hätte sich Frau Merkel entschieden gegen den Labrador gewehrt. Aber zum einen: es ist nicht dumm, aus solchen scheinbaren Kleinigkeiten Schlussfolgerungen zu ziehen. Und es ist nicht dumm, zu signalisieren: ich weiß mir Respekt zu verschaffen. Diplomatie hört da auf, wo die Gegenseite austestet, wie weit sie gehen kann.

Gilt nicht nur in der Politik sondern auch im Alltag.  

 

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