Long-Covid ohne Covid. Eine Umfrage mit erstaunlichem Ergebnis

Long-Covid geht uns schon länger locker von den Lippen, ist als Diagnose gewissermaßen schon fest etabliert. Es gibt auch schon etliche Psycho-Kliniken, die sich auf dieses Krankheitsbild spezialisiert haben (einfach mal googeln: Long Covid Klinik). Herr Lauterbach warnte vor Long Covid bei Kindern  und dann gibt es noch das weniger bekannte Corona-Cave-Syndrom .

Und jetzt – horreur! – titelt Coliquio (möglicherweise nur ÄrztInnen und solchen Leuten zugänglich] am 19.11.2021

„Viele Menschen mit vermeintlichem Long-Covid hatten nie eine SARS-CoV-2-Infektion“

„Hintergrund: Von den 26.823 Teilnehmern einer Internetumfrage in Frankreich zum Gesundheitszustand, gaben 914 an, bereits an Covid-19 erkrankt gewesen zu sein. Nur bei 453 dieser Menschen ließ sich dies aber durch einen positiven Antiköper-Befund bestätigen.

Von diesen Menschen mit bestätigter durchgemachter Covid-19-Infektion gaben 13,8 % an, noch unter Abgeschlagenheit /Fatigue zu leiden, berichtet das Team um J. Matta vom Service Psychiatrie de l’adulte am Hôpital Hôtel-Dieu in Paris. Mit 12,6 % war diese Rate unter den Patienten mit der fälschlichen Annahme einer früheren Covid-19-Infektion fast genauso hoch.

Von Personen dagegen, die nicht glaubten, an Covid-19 erkrankt gewesen zu sein und auch einen negativen Antikörpertest aufwiesen, litten nur 2,3 % unter Fatigue. Bei denjenigen, die nichts von einer früheren Erkrankung ahnten und eine positiven Antiköperbefund hatten, zeigte sich auch nur eine Fatigue-Rate von 3,5 %.“

 O.k. – das ist eine Studie aus Frankreich aufgrund einer Internetumfrage – da müssen Zweifel erlaubt sein, ob eine gründlichere Studie dieselben Ergebnisse erbringen würde.   

Aber einem Forumsteilnehmer ist zuzustimmen – meine ich: „Wirklich interessant, vor allem der geringe Prozentsatz von Spätsymptomen bei den unwissentlich zuvor Infizierten. Ob wir wirklich soooo dringend Long-Covid-Ambulanzen brauchen, wie sie derzeit gefordert werden und auch schon existieren? Ich möchte nichts bagatellisieren, aber es ist hier auch ein sekundärer Krankheitsgewinn anzunehmen, zumal es keinerlei spezifische Therapie gibt…“

 

„Die Krankheitserfinder“ – eine längere Geschichte

Das Ergebnis erscheint mir unter einem anderen Aspekt nicht so erstaunlich:  Es gab mal 2015 eine Tagung zum Disease Mongering über die lukrative Tätigkeit im Medizinbereich/ Pharmaindustrie (empfehlenswert zu lesen)  “Leute[n], denen es gut geht, davon zu überzeugen, dass sie krank sind, oder leicht Kranke, dass sie schwer krank sind“. Ein Buch von 2004 von Jörg Blech hieß „Die Krankheitserfinder“.

Auf dieser Tagung sagte eine Ärztin : Vielleicht sind Ihnen in den letzten Wochen in der U-Bahn oder in den Straßen von Berlin Plakate aufgefallen, auf denen ein übergroßer Kopf dargestellt ist. Neben dem Bild befindet sich ein kurzer Text, in dem es heißt: „Über 49.000 Menschen in Berlin wissen nicht, dass sie unter Chronischer Migräne leiden. Auch Sie?“

Na, ich denke, wer wirklich Migräne hat, muss nicht erst durch ein Plakat darauf aufmerksam gemacht werden!

Burn-out, ADHS, Hypersensibilität (im Augenblick habe ich das Gefühl „narzisstische Störung“ ist so ein Renner). Um es ganz klar zu sagen: ich bin weit entfernt zu sagen „alles Erfindung“. Ich weiß aus meiner Praxis nur zu gut, dass es diese Erkrankungen gibt. Aber ich bin alt genug um Krankheitsmodewellen kommen und auch wieder gehen zu sehen. Zur Zeit der Tagung war übrigens das männliche Klimakterium en vogue. Haben wir schon länger nichts mehr davon gehört.

 

Die Bedeutung der medialen Aufmerksamkeit 

Das macht mich skeptisch gegenüber Long Covid. Wobei dabei noch hinzukommt: Die mediale Aufmerksamkeit verführt dazu, Symptome, die man unter anderen Umständen allen möglichen Ursachen zugeordnet hätte und niemals als Folge eine Covid-Erkrankung verstanden hätte, nun eben als solche zu benennen. Wenn jemand ein Vierteljahr nach einer überstandenen Corona-Infektion eine Schlafstörung bekommt, dann hat das nicht automatisch mit Long Covid zu tun. Im Übrigen: Es gab und gibt es auch nach einer schweren Grippe, dass es Monate dauert, bis man wieder  „auf dem Damm“ ist.  Ich wüsste keine Klinik, die sich auf Long-Influenza spezialisiert hätte.

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