Deutschlandfunk-Interview: Palliativmediziner zu COVID-19-Behandlungen„Sehr falsche Prioritäten gesetzt und alle ethischen Prinzipien verletzt“

Man kann nicht alles selbst machen/schreiben/lesen/überprüfen. Deshalb bin ich sehr dankbar, dass Vernetzung auch im positiven Sinn funktioniert! (Mit „negativem Sinn“ meine ich das Weiterverbreiten von Horror- und Katastrophengeschichten, sei es durch Medien, sei es von Nachbarin zu Nachbar – wenn ich dem Glauben schenken dürfte, dann wäre das knapp 2000-Seelendorf, in dem ich lebe, ein Corona-Hotspot erster Güte.)

Also: Der Reihe nach:

Da wäre ein Deutschlandfunk-Interview mit dem Palliativmediziner Thöns, das ich zu meinem großen Bedauern aus rechtlichen Gründen nicht einfach hier einstellen darf. Ich bitte aber, den vollständigen Text nachzulesen: https://www.deutschlandfunk.de/palliativmediziner-zu-covid-19-behandlungen-sehr-falsche.694.de.html?dram:article_id=474488

Hier ein paar kurze, erlaubte Auszüge:

„Sehr falsche Prioritäten gesetzt und alle ethischen Prinzipien verletzt“

„..Und wir müssen ja bedenken, dass es sich bei den schwer erkrankten COVID-19-Betroffenen, so nennt man ja die Erkrankung, meistens um hochaltrige, vielfach erkrankte Menschen handelt, 40 Prozent von denen kommen schwerstpflegebedürftig aus Pflegeheimen, und in Italien sind von 2.003 Todesfällen nur drei Patienten ohne schwere Vorerkrankungen gewesen. Also es ist eine Gruppe, die üblicherweise und bislang immer mehr Palliativmedizin bekommen hat als Intensivmedizin, und jetzt wird so eine neue Erkrankung diagnostiziert und da macht man aus diesen ganzen Patienten Intensivpatienten.

„Es werden alle ethischen Prinzipien verletzt, die wir so kennen“

Sawicki: Werden da also falsche Prioritäten gesetzt?

Thöns: Ich sehe, das sind sehr falsche Prioritäten und es werden ja auch alle ethischen Prinzipien verletzt, die wir so kennen. Also wir sollen als Ärzte ja mehr nutzen als schaden. Da fragt man sich natürlich bei einer Erkrankung, wenn die schlimm verläuft, also zum Atemversagen führt, dann können wir tatsächlich nach einer chinesischen Studie nur drei Prozent der Betroffenen retten, 97 Prozent versterben trotz Maximaltherapie – so eine Intensivtherapie ist leidvoll, da stimmt ja schon das Verhältnis zwischen Nutzen und Schaden kaum…

Dr. Thöns führt dann zum einen aus, dass nach seiner Überzeugung sehr viele, gerade alte Menschen sich nicht für maximale Intensivmedizin entscheiden würden, wenn ihnen die Belastung durch die Behandlung selbst und die Isolation einerseits klar gemacht würden und andererseits die (sehr) begrenzten Erfolgsaussichten, sowie das Risiko durch die Beatmung eine dauerhafte Behinderung Schaden zu erleiden. (Das war etwas, das mir auch unbekannt war.)   

Warum nehmen die Beatmungszahlen zu – aber warum werden die Patienten anscheinend oft weder informiert, noch gefragt, ob sie das wollen?

Er stellt dann die Frage, warum die Beatmungszahlen aktuell so zunehmen, die Willensermittlung aber nicht:

„Wir wissen ja aus vielen Untersuchungen, dass die Beatmungszahlen in Deutschland explosionsartig zunehmen, und aus anderen Untersuchungen wissen wir, dass diese Willensermittlung nur bei vier Prozent der Beatmeten stattfindet.“

Thöns unterstellt nicht direkt, dass finanzielle Motive auch eine Rolle spielen könnten, aber er sieht Anzeichen dafür:

Also von daher gibt es schon deutliche Hinweise, dass da Geld eine Rolle spielt, und wir wissen ja alle, dass Beatmungsmedizin extrem gut vergütet wird, da wird ein Tag zum Beispiel über 24 Stunden Beatmung teilweise mit über 20.000 Euro vergütet.

…Was natürlich gerade angesichts der aktuell ausfallenden regulären OP-Termine schon eine Versuchung sein könnte. Da ja – ich wiederhole mich nur ungern – diese und vergangene Bundesregierungen auf das Prinzip der Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen gesetzt haben. Es muss sich rechnen!

Auch ohne künstliche Beatmung kein qualvolles Ersticken!

Was mir bei diesem Interview des Palliativmediziners besonders wichtig war: Mir wurde bereits mehrmals in Diskussionen vorgehalten, ich würde also billigend in Kauf nehmen, dass Menschen ohne künstliche Beatmung einen qualvollen Erstickungstod erleiden würden.

Thöns stellt demgegenüber klar:

„Atemnot zu lindern ist für einen Palliativmediziner, wie ich es bin, eben total simpel, das ist einfach möglich. Kein Mensch muss heute mehr ersticken. Also wir müssen die Menschen nicht beatmen, damit die nicht ersticken, sondern Palliativmedizin kann das sehr leidlos gestalten.“

Ich kann das nicht beurteilen – aber bis zum Erweis des Gegenteils sehe ich keinen Grund, Dr. Thöns nicht zu glauben.

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