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Eine Woche Urlaub liegt hinter mir.

Frankreich, wie es sich für mich einmal im Jahr gehört. Diesmal hatte ich Lust auf die Alpes du Nord.

Freitag, den 14.6. fuhr ich los. Geplant war 12.05 Uhr (vorher hatte ich noch Praxis). Nun, es wurde 12.06 Uhr… Eigentlich sollte man sich wenigstens bis Bern beamen können, denn mindestens für mich ist die Strecke bis dahin Routine.  

Am Murtensee war dann genug gefahren für den ersten Tag. Ein langer Spaziergang mit Entennachwuchs, der mir Rätsel aufgab, weil manche farmbmäßig aus der Reihe geschlagen waren.

Dann Übernachtung direkt am See… und am nächsten Tag ging es weiter mit einigem Hin und Her (Payerne ohne Kirche, die wurde nämlich renoviert. Avenches und Estavayer le Lac, wie Murten zwei hübsche mittelalterliche Schweizer Städtchen. Ach ja. Seit wie vielen Jahrhunderten kein Krieg???) an den Genfer See, Frankreich und ab ins Gebirge.

Da fuhr ich dann die nächsten Tage Pässe rauf und runter, ging spazieren – wofern man im Gebirge von „Spazierengehen“ reden kann. Der Nachteil von Gebirgen ist nämlich, dass sie so bergig sind. So ausdauernd ich auf ebenen Wegen bin, Steigungen kann ich seit 60 Jahren nicht leiden, so lange komme ich dabei schon außer Atem. Ein weiterer Nachteil von Gebirgen ist, dass nur wenige Straßen obendrüber führen. Deswegen musste ich öfter als gewohnt auf die Karte gucken. Sonst fahre ich nämlich einfach drauf los, mal rechts, mal links, wie es mir gerade einkommt, lediglich so ungefähr der ungefähren Himmelsrichtung folgend.  Jetzt bin ich zwar auch häufig vom „rechten Weg“ abgewichen, aber mit dem Wissen: ich muss auf gleichem Weg zurück, was gegen meinen Grundsatz „nunquam retro – niemals zurück“ verstößt. Dabei habe ich viel Schönes gesehen, aber auch vieles, was das kalte Grausen bedeutet: Savoyen ist ein Skiparadies. Paradies??? Im Sommer sind die Riesenanlagen (manchmal wenigstens halbwegs geschmackvoll im Stil von Berghütten, oft aber Riesenklötze) ausgestorben. Die Ladenpassagen, in denen man im Winter vermutlich alles, wirklich alles kaufen kann, die unzähligen Restaurants, Cafés, Fast-Food-Buden – geschlossen. Die Lifte standen auf groteske Weise still. Ich mag mir den Rummel im Winter nicht vorstellen und weiß nicht, was schlimmer ist: die Orte bewohnt oder ausgestorben.

Wie ist das mit der Wohnungsnot, wenn wir uns diese Leerstände über die Hälfte des Jahres leisten können? Ich sage „wir“, denn immer wieder fühlte ich mich auch als Teil dieser zerstörerischen Luxus-Spezies: Fahre ich nicht CO2 ausstoßend fast 1000 km durch diese Gegend?

Nun, der Klimawandel wird es richten. So viel künstlicher Schnee kann dann doch nicht hergestellt werden. Und dann? Werden diese Kunstdörfer einfach verallen?

Ich sehe die zahlreichen Stauseen, deren Wasserstand mir bedrohlich niedrig erscheint. Auch wenn von den Bergen noch viel Wasser runterkommt, meist in fotogenen Wasserfällen: das wird nicht reichen. Denn so viel Schnee liegt oben nicht mehr.

Dann die Murmeltiere. Als ich die ersten beiden sah, die sich gerade eine Jagd lieferten (ich hatte den Fotoapparat parat, weil ich gerade eine Sumpfdotterblumenwiese mit Bächlein fotografierte), war ich noch entzückt. Aber ich sah wenigstens sechs oder sieben weitere – und zwar in der Nähe von Parkplätzen, so dass ich über die Verhausschweinung der Murmeltiere zu grübeln begann.  

Um das Fragwürdige komplett zu machen: die Fahrradfahrer. Nee, so darf man sie eigentlich nicht nennen. Sie gaben mir schon mal Anlass, eine Kolumne über die Entwicklung von der Selbstverwirklichung zur Selbstoptimierung zu schreiben („Quäl dich, du Sau“… findet sich unter „eigene Artikel“). Wobei ich anerkenne, dass sie weniger CO2 verbrauchen wie ich. Bergauf geht es ja noch. Aber den Berg runter fühlte ich mich verfolgt. Wenn die – ungelogen – die doch nicht ganz kurvenfreien Passstraßen mit 70 km/h hinter mir her brettern, dass ich wider Willen noch eine Idee mehr aufs Gas gehe, um Auffahrunfälle zu vermeiden. Es wundert mich, wie wenig passiert, es wundert mich, wie wenig Sorge um die eigene Haut und die eigenen Knochen diese Leute haben. Sie sind auf Drogen. Anders kann ich es mir nicht erklären.

 

Das war jetzt das, was mich beunruhigt, mir Angst macht, mich fragen lässt, was wir für eine (selbst-)zerstörerische Spezies wir sind.   

Aber dann die Landschaft, das Wasser der Bäche, Seen, Wasserfälle und vor allem: die Wiesen, diese Blumenwiesen, diese Vielfalt an Pflanzen, die Mauersegler, die Schwalben, die es hier reichlicher gibt als bei uns. Jener merkwürdige Vogel, der nachts anfing zu singen und ich dachte, er singe der beginnenden Dämmerung entgegen. Aber es war erst zwei Uhr nachts. Nette, kurze Begegnungen mit anderen Wanderern, mit dem Patron des einfachen Hotels, mit den Kindern, die mir erklärten, dass ihre Kreidezeichnung auf dem Asphalt „Kunst“ sei – was von mir prompt fotografiert wurde. Keine Unfreundlichkeiten von anderen Autofahrern, im Gegenteil: nette Gesten „bitte nach Ihnen“.

Karl Valentin war es, glaube ich, der sagte: „Der Mensch wär scho recht, aber die Leut sind a Gsindel.“    

(Eine Auswahl von Bildern findet sich unter „Fotos“)      

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