Zunächst mal ein bemerkenswertes Interview des mit 87 Jahren eindeutig zur Risikogruppe gehörenden FDP-Politikers Gerhart Baum (der war auch mal bundesdeutscher Innenminister). Er hat Nachdenkenswertes gesagt. Zum Beispiel:
„Möglicherweise werden wir irgendwann vor die unbequeme Frage gestellt werden, ob wir mit den bisherigen Entscheidungen die wirtschaftliche Existenz unseres Gemeinwesens und die Handlungsfähigkeit des Staates aufs Spiel setzen.“
oder:
„Wir brauchen einen starken Staat, der unsere Daseinsvorsorge gewährleistet. Wir brauchen auch eine Industriepolitik. Die FDP sollte daher ihre manchmal unverständliche Furcht vor staatlichen Regelungen revidieren.“
Daseinsvorsorge. Mal sehen, ob Corona immerhin imstande war, nicht nur der FDP einzubläuen, dass der Staat die Aufgabe der Daseinsvorsorge hat. Es lässt sich eben nicht alles lässt sich durch Privatisierung, durch Wettbewerb, durch den Primat betriebswirtschaftlichen Denkens regeln, schon gar nicht besser regeln.
Mir scheint, das ganze Interview ist kostenfrei lesbar – und es ist wert, gelesen zu werden!
Rechtliche Fragen bezüglich der derzeitigen Beschränkungen von Grundrechten behandelt der Artikel von Prof. Dr. Christoph Möllers (https://de.wikipedia.org/wiki/Christoph_M%C3%B6llers) : Parlamentarische Selbstentmächtigung im Zeichen des Virus. https://verfassungsblog.de/parlamentarische-selbstentmaechtigung-im-zeichen-des-virus/
Außer dem Artikel selbst, finde ich auch Kommentare zu Möllers Artikel bedenkenswert:. Ein Herr oder eine Frau Clemens schreibt zu Möllers Artikel am 27.3.20
…. ich bin ein sehr starker Verfechter der Vorsorge (auch rechtlich) für Krisen. Der Staat hat es mal wieder verpennt. Eigentlich hat auch jede Klinik und andere Einrichtungen die Pflicht Vorräte zu halten. Es ist ja nicht das böse Volk, was „alles wegkauft“, wir haben schlicht keine Vorräte. Weder im Supermarkt noch in Lagern der Industrie, noch in den Einrichtungen selber. Wer die Verantwortung für eine Klinik, Einrichtung hat und ganz zu Beginn schon Engpässe beklagt, der muss eigentlich seinen Sessel räumen!
Ich befasse mich wissenschaftlich mit dem Zusammenspiel Recht/Verwaltung/Krisenmanagement und Vorsorge… An wirklich jeder Ecke ist es einfach nur grausam. Das Gesetz zur Notversorgung mit Nahrungsmitteln steht sein 2016. Noch KEIN Bundesland hat es geschafft bis heute die Durchführungsregularien zu schaffen. Peinlich! In Berlin sind 2/3 der Trinkwasserbrunnen für Notfälle verseucht. Tests zur Notstromversorgung von Krankenhäusern werden nach einer Stunde abgebrochen, da das Notsystem zusammenbricht. Und der absolut traurigste Punkt und hier kommen wir zu des Autors Artikel zurück. Früher hat die Schutzkommission (etwa 50 Wissenschaftler aus der Praxis) die Risiken bewertet und Klartext gesprochen. Die Schutzkommission wurde mit einem Satz einfach mal abgeschafft. Ganz Deutschland (Feuerwehr, Einrichtungen, Kliniken, IT, Ministerien… und die Wissenschaft) haben ihr Handeln auf diesen Berichten und der SchuKo aufgebaut.
PS: Ich stehe auf der Seite des Verfassers, als Praktiker muss ich aber sagen… wir hatten keine andere Wahl als zu handeln.“
Die vom Kommentator des Möllers-Artikels erwähnte Schutzkommission gab es bis 2015. Angesiedelt war diese – laut Wikipedia – „ungewöhnlich unabhängige Kommission“ beim Bundesministerium des Innern. Aufgelöst hat sie Minister Thomas de Maizière (CDU). Begründung:
„Heute ist die Themenvielfalt im Bevölkerungsschutz jedoch derart angewachsen, dass sie durch ein solches Gremium mit fester Besetzung kaum noch angemessen abgedeckt werden kann. Zugunsten kleinerer, flexiblerer Beratungsmöglichkeiten wurde die Schutzkommission daher am 20. April 2015 vom Bundesministerium des Innern aufgelöst.“ (https://www.bbk.bund.de/DE/AufgabenundAusstattung/Forschung/Schutzkommission/Historie_SK/Historie_Schutzkommission_node.html)
Tja. Hm. Aha. „Flexiblere Beratungsmöglichkeiten“.
Zwar kann man tatsächlich der Meinung sein, in der aktuellen Situation, sollte man zwei Augen zudrücken, was die Verfassungsmäßigkeit der Maßnahmen angeht. Das kann ich nicht beurteilen. „Not kennt kein Gebot“ – das ist nicht nur eine Ausrede oder total falsch. Aber ältere Leute (ich zum Beispiel) haben noch recht gut in Erinnerung, wie schon häufiger Maßnahmen, die mit einer „Notsituationen“ gerechtfertigt wurden, danach zur Dauereinrichtung wurden.
Grundrechtseinschränkung konkret bedeutet: Heute meinte eine Verwandte aus Bayern, die regelmäßig eine über 90-jährige Frau besucht, die ansonsten fast völlig vereinsamt ist: „Eigentlich ist es verboten, was ich mache. Aber ich besuche sie trotzdem. Denn wenn ich sie nicht besuche, dann macht sie das nicht mehr lange.“
Und wer immer noch nicht genug hat, kann sich den folgenden Artikel antun:
Nikolaus Förster, Das wahre Gesicht der Coronakrise
Thema: „Die Politik sagt, es solle ‚kein Arbeitsplatz verloren gehen‘. Doch wir Mittelständler verzweifeln an der Behäbigkeit der Behörden. Und der Skrupellosigkeit der Konzerne.“ https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/corona-krise-so-leidet-der-mittelstand-a-3017835e-1a8c-4c47-bfea-381411631e41