Nochmal: Systemrelevanz

Wie ich vor einigen Tagen mit schnell nachlassendem Stolz berichtete, bin ich als Psychotherapeutin „systemrelevant“. Dass es tatsächlich so ist, kann ich nur bestätigen, wenn ich dran denke, wie die C-Krise schon nach vergleichsweise kurzer Zeit Menschen in unterschiedlichster Weise umtreibt und belastet.

Nun ist in der Süddeutschen Zeitung vom Wochenende 28./29.3.20 ein brillanter Artikel erschienen:
Barbara Vorsamen: Wer das Land am Laufen hält.

Tenor des Essays ist: „Wenn es hart auf hart kommt, stützen vor allem Frauen Wirtschaft und Gesellschaft. Ihre systemrelevante Arbeit wird aber häufig schlecht oder gar nicht entlohnt….“

Der Artikel hat den Nachteil, dass er kostenpflichtig ist.https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/coronavirus-care-frauen-arbeit-1.4859318

Er beginnt mit einem Zitat:

Ab morgen bin ich also im Home-Office und ansonsten mit der Kinderbetreuung beschäftigt, während meine Frau weiter arbeitet, da systemrelevant. Ich komme nicht umhin zu bemerken, dass sich diese Systemrelevanz in 15 gemeinsamen Jahren noch nie in unseren Einkommen gespiegelt hat.“ (Christian Reinhold)

Vielleicht gibt es irgendwann mal eine Statistik darüber, wie viele Männer und wie viele Frauen derzeit als „systemrelevant“ zählen. Das zum einen. Und zum andern würde ich mir eine Statistik über das durchschnittliche Einkommen der Systemrelevanten wünschen im Unterschied zu den Nicht-Systemrelevanten. Wäre doch mal interessant. Sicher: Chefärzte und Gutverdienende wie ich sind auch systemrelevant. Aber die sind nicht so häufig und schlagen nicht weiter zu Buche wie Erzieherinnen, Krankenschwestern, Altenpflegerinnen, Kassiererinnen usw..   …   

Es hat mir noch nie eingeleuchtet, wieso jemand, der z.B. in der Pflege tätig ist weniger verdient als ein Kfz-Mechaniker oder Bankkaufmann.

Wobei das ja nur ein Aspekt ist. Es ist  weithin die unbezahlte Arbeit, die „das Land am Laufen hält.“ Mit dem Ergebnis: „Während Männer für zwei Drittel ihrer Arbeit entlohnt werden, ist es bei Frauen andersherum“. Der Grund: es sind ganz überwiegend die Frauen, die die unbezahlte „Care-Arbeit“ leisten. Vom Putzen angefangen über die Kinderbetreuung bis zur Pflege der Schwiegermutter. „Nach einer Schätzung des statistischen Bundesamtes beträgt der Wert der unbezahlten Arbeit etwa ein Drittel des Bruttosozialprodukts, ist aber nicht darin enthalten. Die Leistung einer Gesamtwirtschaft kann ohne diese Daten nicht sinnvoll analysiert werden.“   

Die Autorin hat die Hoffnung, dass das Problembewusstsein durch die C-Krise wächst.

Da wäre ich mir nicht so sicher.

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