Der (Gesundheits-)Markt wird es richten. Und wie!

 

Es ist schon Abend und deswegen fasse ich mich kurz: Es sind nicht nur Viren und Bakterien, die töten. Sondern es tötet auch ein Gesundheitssystem, das „marktwirtschaftlich“ orientiert ist. Ich erinnere mich noch gut daran, wie aus „Patienten“ plötzlich „Kunden“ wurden. Man fand das schick und erklärte es zum wirkungsvollen Beitrag, dass man dem Doc auf Augenhöhe begegnen könne. „Marktmacht des Kunden“ oder irgendwie so. Hat irgendwie nie so ganz geklappt – wohl nicht nur  bei mir. Wer Zahnweh hat und er sich den Haxen verstaucht, erinnert sich nicht so sehr an seine Marktmacht sondern war und ist froh, zeitnah einen Termin zu bekommen… Genauso erinnere ich mich daran, wie die Defizite kommunaler Krankenhäuser mit ihrer „Unwirtschaftlichkeit“ aufgrund von Bürokratismus usw. erklärt wurden.

Ein bisschen ist das Schnee von gestern. Das sind vielleicht die guten Folgen von Corona. Mindestens: Es könnte sein, dass die Erkenntnis dämmert, dass das Gesundheitswesen nicht etwas ist, was dem „Markt“ unterworfen sein darf, sondern dass es eine solidarische Aufgabe von uns allen ist.

Nicht so ganz zufällig Thema: Was macht der Markt in der Pflege?  

In den letzten zwei Tagen stieß ich auf zwei Artikel zu dem Thema. Der erste:.

„Rendite mit der Pflege – auf dem Rücken von Bedürftigen, Beitrags- und Steuerzahlern“

 „In der Altenpflege fehlt Personal. Dennoch lockt die Branche Investoren mit hohen Renditen. Bezahlen müssen dafür die Alten und ihre Familien….

Im Sommer hatte die Bundesregierung erklärt, im Jahr 2020 hätten mehr als 57.000 Menschen mit der Pflegeausbildung begonnen. Ein Anstieg von 13,5 Prozent, der sich sehen lassen könnte – wenn da nicht die überdurchschnittlich hohe Abbrecherquote wäre. Rund 30 Prozent der Auszubildenden in Pflegeberufen brechen vorzeitig ab, was branchenübergreifend einer der höchsten Werte ist. Die Gründe dafür sind vor allem die schlechten Arbeitsbedingungen, kaum Zeit für gezielte Ausbildung und eine hohe emotionale Belastung.

Pflegeschüler würden oft so eingesetzt, als wären sie bereits voll ausgebildet, sagte Anfang des Jahres Franz Wagner, Präsidiumsmitglied der Bundespflegekammer. Das dürfe nicht sein. „Wir vergraulen sonst unsere Zukunft, indem wir sie heillos überfordern.“

…. Dort, wo die Heime gut geführt werden, verwenden die Betreiber rund 70 Prozent der Einnahmen für das Personal.

Dagegen würden marktführende Konzerne wie Orpea und Korian nur zwischen 50 und 55 Prozent dafür veranschlagen. Das sei nur möglich, wenn nicht nach Tarif gezahlt werde und die Fachkraftquote auf dem untersten vorgeschriebenen Niveau gehalten werde. Überarbeitete Pflegekräfte und vernachlässigte Heimbewohner dürften also auch in Zukunft zum Alltag von Altenheimen gehören.

 

Der zweite Artikel stammt aus dem SPIEGEL. Darin begegnet mir seit langem wieder „Private Equitiy“ – das System aus den Hochzeiten des Neoliberalismus (ist noch gar nicht so lange her).

„Neue Studie zum Milliardenmarkt: Wie Investoren die Pflege auspressen“

„Seit Langem mangelt es in der Pflegebranche an Geld, trotzdem haben finanzstarke Investoren sie als lukratives Geschäft entdeckt. Für Heimbewohner bedeutet das oft nichts Gutes.“

…Ein Einsatz wird versechsfacht, innerhalb von vier Jahren. Klingt nach einem hochspekulativen Geschäft, wie es vielleicht Börsen- oder Kunsthändler abschließen. Doch dieses Geschäft fand vor einigen Jahren im vermeintlich drögen deutschen Pflegesektor statt.

Im Jahr 2013 kaufte die US-amerikanische Private-Equity-Firma Carlyle die deutsche Pflegeheimgruppe Alloheim für 180 Millionen Euro. Im Jahr 2017 wurde Alloheim dann an den Investor Nordic Capital weiterverkauft – für 1,1 Milliarden Euro… Durch die Coronakrise hat das Thema besondere Brisanz erhalten. Pflegeheime wurden in der Pandemie zu Covid-Hotspots, was ein Schlaglicht auf die dortigen Arbeitsbedingungen wirft. Sind diese schlechter, wenn eine Einrichtung gewinnorientierten Investoren gehört? In Deutschland kam eine Studie 2016 zumindest zu dem Schluss, dass profitorientierte Pflegeheime in vier von sechs Kategorien eine »signifikant schlechtere Qualität« aufwiesen. Und in den USA ergab eine Untersuchung des renommierten National Bureau of Economic Research, dass in Private-Equity-geführten Heimen sowohl die Personalfluktuation als auch die Sterblichkeit höher liegen.“

Da ich jetzt (wohlverdienten) Feierabend machen will, belasse ich es dabei. Ich schließe mit der Frage: In welcher Welt wollen wir leben?

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