Corona-App. Haare in der Suppe

Wäre ja auch ein Wunder, wenn ich nichts zu meckern hätte. Aber ganz im Ernst: ich habe keine Ahnung, ob die Corona-App eine gute Idee ist. Könnte ja sein – jenseits aller datenschutzrechtlichen Fragezeichen, die bei der deutschen Version (nach allem was ich lese) wirklich klein zu sein scheinen. Nicht so wie in China. Aber das ist eh ein anderes Kapitel.  https://ursula-neumann.de/gedanken-zum-artikel-corona-app-in-china-beginn-der-digitaldiktatur-tracingziel-ist-der-vorauseilende-gehorsam-der-buerger/

Ich halte mich jetzt auch nicht lange dabei auf, was das Ärzteblatt postwendend zu berichten wusste, nachdem die App an den Start gegangen ist ( https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/113884/Corona-Warn-App-Mehr-als-sieben-Millionen-Downloads-Stress-bei-GesundheitsaemternViele Anfragen bei den Gesundheitsämtern).

Die Vorsitzende des Bundesverbandes der Ärzte im öffentlichen Gesundheitswesen, Teichert, fasste das zusammen:

Es sprengt alle Dimensionen, die wir je hatten“, sagte Teichert zum Andrang auf die Gesundheitsämter. „Die Leute kommen mit der App nicht klar und sie kommen auch nicht klar mit der Telefonnummer, die da angegeben ist“, sagte Teichert. Die Hotlinenummer der App sei sehr kompliziert und das führe zu sehr vielen Nachfragen. „Die Menschen rufen dann eben bei der Coronahotline an und bei den Gesundheitsämtern“, so Teichert.

Außerdem kritisierte Teichert Barrieren der App, die es nicht allen Menschen ermögliche, sie in Gebrauch zu nehmen. Viele Menschen, vor allem Ältere, die digitale Systeme sonst nicht nutzten, würden Schwierigkeiten haben, mit der App umzugehen.

Das können Anlaufschwierigkeiten sein. Wobei ich allerdings irgendwo hörte (konnte das leider nicht mehr verifizieren), dass mindestens am ersten Tag ganz überwiegend die 20 – 29Jährigen die App runtergeladen hätten. Das wäre dann nicht so im Sinn des Erfinders. 

Was ich aber nun wirklich problematisch finde: Auf sogenannte „ältere“ Geräte lässt sich die App gar nicht herunterladen.

 

Die FAZ listet genau auf, wer die App nicht runterladen kann. https://www.faz.net/2.1652/so-viele-deutsche-koennen-die-corona-app-ueberhaupt-nutzen-16819819.html

unter einem Foto mit einem Haufen älterer Geräte heißt es „nichts ist älter als das Telefon von gestern“ :

„Die Bundesregierung möchte, dass möglichst viele sich die ‚Corona-Warn-App‘ herunterladen. Doch längst nicht jedes Smartphone ist dazu in der Lage. Die Deutschen hängen oft an ihren alten Geräten.“

Ein Leser – oder eine Leserin schreibt dazu – und wie ich meine: mit Recht: 

Wie kann man denn guten Gewissens ein zwei bis fünf Jahre altes Mobiltelefon als ALT bezeichnen? (Wortwitz im Satz inklusive) . Das ist auch für die heutige Zeit nicht alt. Das ist selbst im Gaming Bereich nicht alt. Es ist schlicht und ergreifend – NICHT ALT – .
Eine App herauszubringen, die für das gesamte Volk gedacht ist und erstmal auf Millionen von Geräten im Umlauf nicht läuft ist peinlich.

Es ist aber nicht nur „peinlich“, sondern mit dieser Formulierung, „den Deutschen“ ein nostalgisches Verhältnis zu ihrem Smartphone anzudichten, wird nicht nur die Frage „wer soll das bezahlen? “ ignoriert (eine Frage, die für manche Menschen tatsächlich eine ist). Was ich schlimmer finde: Da wird immer und überall „Nachhaltigkeit“ gepredigt und auf anderen Zeitungsseiten beredt die Umweltzerstörung (und die menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen) durch den Abbau „seltener Erden“, die Berge von Sondermüll etc. etc. beklagt – aber wenn’s um „unsere Corona-App“ geht, dann spielt das keine Rolle mehr.

Ein Sponti-Spruch der 80er Jahre lautete: „Alle reden von Umweltzerstörung – wir machen sie!“  

 

Ergänzung. Der Spiegel titelt am 2.7.20:   

Die Welt erstickt im Elektroschrott

Elektroschrott ist eine steigende Gefahr für Gesundheit und Umwelt. In nur fünf Jahren ist der Berg weltweit um mehr als 20 Prozent gewachsen – zugleich wurden wertvolle Ressourcen verschwendet.

Ist vielleicht doch nicht das schlechteste, nostalgisch an den „alten Geräten“ zu hängen.

Erstickungstod durch Corona oder Erstickungstod durch Elektroschrott – ist das die Alternative??????????

 

 

Kommentare

  1. David Neumann
    21. Juni 2020

    Ein mindestens genauso großer Konstruktionsfehler, wie die Tatsache, dass die App nur auf den aktuelles Betriebssystemen läuft, ist der Umstand, dass sie nur in Deutsch und Englisch verfügbar ist. Auch das geht leider völlig an der Realität vorbei.

    Beides führt dazu, dass die besonders gefährdeten Gruppen: Ältere, Arme und menschen mit Migrationshintergrund (plus deren Interaktion), diese App nicht nutzen können und nicht nutzen werden.

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