„An oder mit Corona gestorben“ – Wie genau sollen wir es wissen dürfen?

„Freiburger Anwalt will Gesundheitsamt verklagen“

Mein Freund, der Rechtsanwalt Dr. Udo Kauß, will es genau, mindestens genauer wissen: An was sind die Menschen gestorben, die inzwischen schon gewohnheitsmäßig als „Coronatote“ gelistet werden. Auch die Formulierung „an oder mit Corona gestorben“ ist ihm zu unpräzise:

Es darf nicht sein, dass Behörden und Politik weiterhin mit der Zahl von ’Corona-Toten’ Gewissheiten von der Gefährlichkeit der Pandemie verbreiten, wo diese so nicht bestehen. Vertrauen kann nur durch die vom Gesetz geforderte vollständige Information geschaffen werden. Nur so kann einer tiefgreifenden Spaltung der Gesellschaft entgegengewirkt werden“, wird Udo Kauß im Artikel der Badischen Zeitung vom 20.5.21 zitiert („Freiburger Anwalt will Gesundheitsamt verklagen“)

 

Im Totenschein steht’s

Eigentlich wäre das nicht so kompliziert, denn für jede(n) Tote(n) muss ein Totenschein ausgestellt werden. Auf diesem ist nicht nur die „unmittelbare Todesursache“ anzugeben, sondern darunter gibt es eine Spalte „das ist die Folge von“ (also zum Beispiel: unmittelbare Todesursache ist Hirnblutung, die die Folge von Hirnmetastasen ist“). Dann folgt eine Spalte “hierfür ursächliche Grundleiden“ und schließlich „mit zum Tode führende Krankheiten ohne Zusammenhang mit dem Grundleiden“.  

Die Badische Zeitung schreibt: „Die Gesundheitsämter würden im Rahmen der obligatorischen, ärztlichen Leichenschau eines jeden Verstorbenen Kenntnis von der Todesursache erhalten. ‚Penibelst werden diese in den sogenannten Todesbescheinigungen abgefragt nach der vermuteten unmittelbaren Todesursache beziehungsweise vorangegangenen Ursachen und Grundleiden oder Unfallursachen‘“.

Das ist keine Petitesse: Wenn jemand z.B. im fortgeschrittenen Stadium an Parkinson erkrankt war, ist die Wahrscheinlichkeit, dass er im Falle einer Infektion an Corona stirbt deutlich höher als bei einem Menschen, der ansonsten gesund ist. Dassebe gilt – wie sich inzwischen doch schon herumgesprochen hat – bei Menschen mit Hypertonie, Diabetes, Krebs. Die „unmittelbare Todesursache“ mag dann Corona sein – aber führte sie zum Tode? Zu wieviel Prozent? War dies nur die letzte Belastung unter vielen, schon lange bestehenden, dem der Körper dann nicht mehr standhalten konnte.  

 

Wenn du meinst es geht nicht mehr, kommt der Datenschutz daher

Man fragt sich: Wo ist das Problem, die Daten zu liefern? Der Zeitaufwand kann es nicht sein. Aber – was für ein Glück! – da gibt es ja noch den Datenschutz. Der Verweis darauf kommt gut an – wenngleich in anderem Zusammenhang (vgl. Corona-App) dieselben Stellen finden, man könne es mit dem Datenschutz auch übertreiben.

Der Verwaltungsgerichtshof ist also besorgt. Auch wenn der Rechtsanwalt die Daten selbstverständlich nur anonymisiert haben wolle… wer kann schon garantieren, dass er nicht Zeitungen nach Todesanzeigen durchsucht oder so, um herauszufinden, welche verstorbene Person hinter dem Datensatz steckt. Und so schrieb der VGH Ba-Wü: „Auch wenn das Amt diese Daten nur anonym herausgeben würde, könne der Anwalt unter Hinzunahme anderer Daten die Identität dieser Verstorbenen herausfinden. Dies sei nicht vereinbar mit der Schutzwürdigkeit der Hinterbliebenen.“

 

Wie zu erwarten: Kontroverse Diskussion

Wie bei diesem Thema nicht anders zu erwarten wogt der Meinungsstreit unter den LeserInnen hin und her. Ich zitiere:

„Es darf nicht sein, dass Behörden und Politik weiterhin mit der Zahl von ‚Corona-Toten‘ Gewissheiten von der Gefährlichkeit der Pandemie verbreiten, wo diese so nicht bestehen. Recht hat er, der Herr Kauß.“

„Es ist schon lange fällig, dass man die Daten untersucht. Allein aus wissenschaftlicher Sicht wäre wichtig zu wissen, welche Komplikationen zum Tode geführt haben. Diesbezüglich könnte man ja auch Daten aus anderen Städten nehmen oder die Hinterbliebenen um Erlaubnis bitten.“

„…jetzt wird’s aber wirklich lächerlich. Was, glauben Sie wohl, woher die Wissenschaft ihre Daten hat? Ich meine jetzt die Wissenschaft, nicht die versammelte rechte Scharlatanerie.

Wir wären ja alle froh, wenn die Dummschwätzer recht(s) hätten. Aber nein, ich weiß es zu meinem Bedauern aus eigenem Erleben besser. Und da kann ein Anwalt die Gerichte noch so sehr beschäftigen, es ändert nichts daran, dass eben nicht nur hinfällige Menschen an Corona starben, dass eben zuvor junge durchtrainierte Menschen noch Monate nach „Genesung“ von einer Corona-Erkrankung so weit beeinträchtigt sind, dass sie Mühe haben, ohne Pause eine längere Wegstrecke zu gehen, wobei das noch der „harmlosere“ Teil der Folgeschäden ist. Und darum geht es doch den Extremisten. Sie wollen uns einreden, Corona sei die Form einer harmlosen Grippe. Sie erzählen das einfach mal so. Aber wir anderen, wir wissen es, wie die Wirklichkeit aussieht.
Und wenn dieser Herr Anwalt glaubt, dadurch, dass er den tödlichen Verlauf einer Corona-Erkrankung in Zweifel zieht, stelle er die Sinnhaftigkeit der Schutzmaßnahmen in Frage, verkennt er genau diese Folgeschäden für die, welche Corona überlebten. Sein Bemühen also ist sinnlos. Diese Folgeschäden allein sind Grund, die Menschen zu schützen, alle Menschen, auch die Jungen, denen man so gerne einredet, sie schützten sich nur aus „Solidarität“ mit den Alten, wofür man sie angemessen entlohnen müsse.“

 

Udo Kauß schrieb schon im August in den „Mitteilungen der Humanistischen Union“, die seinen Prozess unterstützt:

BaWü: Artikel – 12.08.20

Udo Kauß: Baden-Württemberg: Behördentransparenz? Nicht bei Corona-Daten.

In: Mitteilungen 242 (12/2020), S. 29 – 30

Der Vorsitzende des LV BaWü, Udo Kauß, hat Ende März in eigenem Namen nach dem Landesinformationsgesetz BaWü (LIFG) anonymisierte Auskünfte aus den beim Gesundheitsamt Freiburg/Breisgau Hochschwarzwald seit Februar ’20 eingegangenen ärztlichen Mitteilungen von Todesfällen beantragt, bei denen eine Coronainfektion vorgelegen hat. Zu Wissen: Im sog. vertraulichen Teil der ärztlichen Todesbescheinigungen sind verpflichtend Angaben zu vorhandenen Erkrankungen und den ärztlicherseits angenommenen Todesursachen zu machen. Und zu wissen: Das Robert-Koch-Institut (RKI) macht bei den öffentlich gemachten Zahlen von „Coronatoten“ keinen Unterschied, ob die Person „an“ oder „mit“ einer Coronainfektion verstorben ist. Genauso gehen auch die Gesundheitsämter vor, die nur von Toten „im Zusammenhang mit Corona“ berichten und deren Zahlen die Grundlage derer des RKI bilden.

Das Motiv für die Anfrage war und ist, größtmögliche Transparenz bei den Zahlen zu erreichen, die eine wesentliche Grundlage für die Gefährdungseinschätzung der Covid 19-Pandemie sind. Damit sollte von vorneherein den sich bereits ankündigenden Verschwörungsmythen und „Coronaleugnern“, und auch und immer stärker dabei, der rechtsextremen Kritik an der „Lügenpresse“ jedenfalls insoweit entgegen gewirkt werden.

Das Freiburger Gesundheitsamt hat allen Erwartungen zuwider alle und nur anonymisierte Daten verweigert, die eine Unterscheidung von „an“ und „mit“ einer Covid-19-Infektion Verstorbenen zulassen könnten. Zudem mache das Amt eine solche Unterscheidung in seinen Meldungen an das RKI nicht.

Das im Eilverfahren angerufene Verwaltungsgericht Freiburg bestätigte die Ablehnung des Gesundheitsamtes. Das Bestattungsgesetz, das die Pflicht zur Erstellung der ärztlichen Todesbescheinigungen regelt, sehe keine, auch keine anonymisierte Herausgabe an Dritte vor. Für eine Anwendung des LIFG sei daher kein Raum. Das dagegen angerufene höchste Gericht im Lande, der Verwaltungsgerichtshof Mannheim, bestätigte in seiner Entscheidung vom 06.08.2020 (10 S 1856/20) die ablehnende Entscheidung des Verwaltungsgerichtes. Kernsatz der Entscheidung: „Die besondere Sensibilität ist ferner darin begründet, das auch eine Anonymisierung, die etwa Namen, Geburtsdatum und Wohnort des Verstorbenen unkenntlich macht, nicht ausschließen kann, dass der Auskunftssuchende auf Grund von bestimmten Kenntnissen, die für die informationspflichtige Stelle nicht ohne weiteres zu erkennen sind, die anonymisierten Daten einem ganz bestimmten Verstorbenen zuordnen kann.“

Der Landesvorstand BaWü hatte bis zuletzt auf eine zufriedenstellende Auskunft gehofft und deshalb extra von einer weiteren Öffentlichmachung des Rechtsstreits abgesehen, um nicht Wasser auf die Mühlen von Verschwörungstheoretikern jeglicher Couleur zu gießen. Man kann sich nur über diese Art von Geheimniskrämerei in der Informationspolitik von RKI und Gesundheitsämtern wundern, die bereits am 18. Mai 2020 in einem Offenen Brief von 45 DatenjournalistInnen kritisiert worden ist. Und die jetzt sogar gerichtlich – wenn auch nur in einem vorläufigen und summarischen Eilverfahren – rechtskräftig bestätigt worden ist. Die Chancen für eine Verfassungsbeschwerde müssen wir noch prüfen und sehen diese kritisch. Denn ein allgemeines Recht auf Zugang zu Verwaltungsdaten ist bisher nicht in das Grundgesetz aufgenommen worden.

Immerhin: Es war die Humanistische Union, die in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts von Berlin aus das Recht auf freien Zugang zu Verwaltungsdaten erstmals in Deutschland einforderte. Ein langer Atem ist erneut gefragt, länger wohl als der Coronavirus und seine Interpreten das Maß der öffentlichen Freiheitsrechte bestimmen.

Ja, ich drücke die Daumen, dass der Atem lange genug reicht. 

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