Ich will diesen Gedenktag nicht einfach so verstreichen lassen. An vieles wäre zu erinnern.Ich erinnere an eine Rede, die fassungslos macht:
Auszug aus Himmlers Rede an die SS-Gruppenführer in Posen (heute Poznań ) am 4. Oktober 1943
„…Es ist grundfalsch, wenn wir unsere ganze harmlose Seele mit Gemüt, wenn wir unsere Gutmütigkeit, unseren Idealismus in fremde Völker hineintragen. Das gilt, angefangen von Herder, der die „Stimmen der Völker“ wohl in einer besoffenen Stunde geschrieben hat und uns, den Nachkommen, damit so maßloses Leid und Elend gebracht hat. Das gilt, angefangen bei den Tschechen und Slowenen, denen wir ja ihr Nationalgefühl gebracht haben. Sie selber waren dazu gar nicht fähig, sondern wir haben das für sie erfunden.
„……Wie es den Russen geht, wie es den Tschechen geht, ist mir total gleichgültig. Das, was in den Völkern an gutem Blut unserer Art vorhanden ist, werden wir uns holen, indem wir ihnen, wenn notwendig, die Kinder rauben und sie bei uns großziehen. Ob die anderen Völker in Wohlstand leben oder ob sie verrecken vor Hunger, das interessiert mich nur soweit, als wir sie als Sklaven für unsere Kultur brauchen, anders interessiert mich das nicht. Ob bei dem Bau eines Panzergrabens 10.000 russische Weiber an Entkräftung umfallen oder nicht, interessiert mich nur insoweit, als der Panzergraben für Deutschland fertig wird. Wir werden niemals roh und herzlos sein, wo es nicht sein muss; das ist klar. Wir Deutsche, die wir als einzige auf der Welt eine anständige Einstellung zum Tier haben, werden ja auch zu diesen Menschentieren eine anständige Einstellung einnehmen…..“
http://ghdi.ghi-dc.org/sub_document.cfm?document_id=1513&language=german
Am Ende der Rede: Beifall und „Sieg Heil“- Rufe. Nicht vermerkt ist, dass auch nur ein einziger der SS-Leute aufstand und ging.
Fritz Bauer, der Generalstaatsanwalt der Frankfurter Auschwitzprozesse in den 1963 -1965, sagte in einem Interview: „Ich formuliere die Sache jetzt ziemlich brutal: Man hat dann in Deutschland zwar den Heldenmut an der Front gefeiert; es gab Mut und Courage in jeder Richtung gegenüber dem äußeren Feind. Man hat aber völlig übersehen, dass die Zivilcourage – der Mut vor dem Feind im eigenen Volk – genauso groß, wahrscheinlich größer ist und nicht weniger verlangt wird. Man hat völlig übersehen, dass es ehrenhaft ist, dass es Pflicht ist, auch in seinem eigenen Staat für das Recht zu sorgen. Deswegen ist es das A und O dieser Prozesse zu sagen: IHR HÄTTET NEIN SAGEN MÜSSEN:“ (Ronen Steinke, Fritz Bauer oder Auschwitz vor Gericht 52018 ,S. 177
Ja, ich weiß, Zivilcourage erfordert Mut (und gerade Fritz Bauer hat immer wieder darauf hingewiesen, wie notwendig eine Erziehung zur Zivilcourage notwendig ist. Er war kein moralgetränkter Besserwisser Vgl. mein kleiner Beitrag auf dieser Homepage Fritz Bauer und Michel de Montaigne oder: ich weiß immer noch nicht, was Humanismus ist)
Aber in einem Interview wurde er fuchsteufelswild, als er mit dem sattsam bekannten Argument konfrontiert wurde: „Was hätten sie denn tun sollen? Hätten sie sich geweigert, wären sie doch selbst an die Wand gestellt worden.“ Denn diese Schutzbehauptung, die als Verteidigungsstrategie oft und oft erfolgreich war und die von der deutschen Bevölkerung (nur zu gern?) geglaubt wurde, entbehrte jeder Grundlage. Der sogenannte „Befehlsnotstand“ existierte nicht. Eine sorgfältige Untersuchung von Tausenden Fällen (ich glaube durchgeführt an der Ludwigsburger Zentralstelle zur Aufklärung von NS-Verbrechen) ergab:
„In Wahrheit sei selbst bei sorgfältigster Suche, so der Gutachter Buchheim, kein einziger Fall zu finden gewesen, in dem ein SS-Angehöriger gravierende Nachteile erlitten hätte, nur weil er sich weigerte, an Tötungsaktionen mitzuwirken. Auch der Verteidigung gelingt es nicht, einen solchen Fall aufzuspüren. Die härteste nachweisbare Konsequenz einer Befehlsverweigerung war die Frontversetzung – dort wurde freilich im Gegensatz zum Lager, wo man es mit wehrlosen Menschen zu tun hatte, zurückgeschossen.“ (http://edjewnet.de/auschwitzvorgericht/)
Was ich möchte? Ich würde mir wünschen, dass am Jahrtag des Kriegsbeginns – aber nicht nur an diesem Tag, sondern an jedem Tag – darüber nachgedacht wird: Wo und wann muss ich Nein sagen. Hier und jetz!