Ukraine-Krieg – und plötzlich wird Corona ganz unwichtig

Es war am 24.02.2022, da klickte jemand auf dieser HomepageDie Klage des Friedens“ von Erasmus von Rotterdam an. Ich hatte schon lange nicht mehr an diesen Text gedacht, aber jetzt ist er es wert, hier wieder zitiert zu werden. (Ach ja, wann ist er es eigentlich nicht wert, zitiert zu werden? Nur dann, wenn der Krieg lächerliche 1000 km nahe ist und nicht dann wenn er 2000, 3000, 10 000 km weit weg ist? Jemen. Syrien, Mali…).

Ich zitiere Erasmus von Rotterdam, auch wenn es eine Klage gegen „den Soldaten“ ist – und nicht gegen diejenigen, die die Kriege anzetteln.   

 

„Wie betet der Soldat in diesen Gottesdiensten das ‚Vater unser‘?

Du harter Mund, du wagst Vater zu sagen, da du deinem Bruder an die Gurgel springen willst?
„Geheiligt werde dein Name“ –wodurch konnte der Name Gottes mehr entehrt werden als durch ein solches Ringen zwischen euch?
„Es komme dein Reich“ –so betest du, der du durch viel Blutvergießen deine Gewaltherrschaft begründest?
„Es geschehe dein Wille, wie im Himmel so auch auf Erden“ – jener will den Frieden und du rüstest zum Krieg?
Du bittest den gemeinsamen Vater um das tägliche Brot, der du die Getreidefelder des Bruders verbrennst und lieber willst, dass sie auch für dich nutzlos seien, als dass sie ihm nützen?
Mit welcher Frechheit sprichst du das aus? „Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern“, der du zum Brudermord eilst?
Du suchst durch Bitten die Gefahr der Versuchung abzuwenden, der du durch diese für dich bestehende Gefahr den Bruder in sie hineinziehst?
Du verlangst, vom Übel befreit zu werden, das dich treibt, dem Bruder das größte Übel zu bereiten?
Kaum ein Friede ist jemals so ungerecht, dass er nicht auch dem gerechten Krieg vorzuziehen wäre.“

Das schrieb Erasmus 1517, vor 505 Jahren. Wann wird man je verstehen?

 

Entgegnung an die, die es jetzt besser gewusst haben wollen 

Ich bin sehr traurig – und auch wenn sicher Fehler gemacht worden sind, Fehleinschätzungen passierten, die im Nachhinein schwer verständlich sind und die Finten des UdSSR-KGB-Agenten Putin nicht durchschaut wurden oder man sich lieber wirtschaftlich-blauäugig gab: ich finde – anders als die vielen Besserwissser jetzt –  mindestens „mildernde Umstände“ haben „unsere“ PolitikerInnen verdient. Zum einen: jede andere Strategie hätte sich genauso als falsch erweisen können. Die, die sie jetzt als Stein des Weisen verkaufen wollen, sind in der komfortablen Lage, das nicht durchspielen zu müssen. Die Szene wird nicht zweimal gedreht.

Wenn ein Mitspieler die Absicht hat zu betrügen und auszutricksen, dann gibt es schon mal gar keine Garantie für eine “richtige“ Entscheidung. Ich möchte nicht wissen, was die Leute gesagt hätten, wenn wir z.B. der Ukraine Waffen geliefert hätten und genau das von Putin als Begründung für einen Angriff benutzt worden wäre?

„Besser 100 Stunden umsonst verhandeln…. „

Der ehemalige sozialdemokratische Bundeskanzler Helmut Schmidt hat einmal gesagt: „Besser 100 Stunden umsonst verhandeln, als eine Minute schießen.“ Niemand kann sagen: „hätten wir besser weniger verhandelt, wäre nicht geschossen worden.“ Oder wenn es jemand sagt, ist er in der glücklichen Lage, den Beweis nicht antreten zu müssen.

Lieber Fracking-Gas? Ganz so einfach ist die Sache nicht! 

Und noch eine  kleine Fußnote zu unserer Abhängigkeit vom russischen Erdgas und Öl, was ja insbesondere von den USA schon längst bemängelt worden ist. Vielleicht mit guten Gründen, aber eben nicht zuletzt auch, weil sie uns ihr absolut klimaschädliches Fracking-Gas verkaufen wollten. Ist das die Alternative?

Was können wir tun? Dafür arbeiten, dass Menschlichkeit das letzte Wort hat!  

Was uns „NormalbürgerInnen“ jetzt bleibt? Wie können wir unsere Anteilnahme zeigen, wie wenigstens ein bisschen helfen. Manchmal ist man nahe dran mutlos zu werden.  

Aber dann finde ich auch wieder was auf meiner Homepage, was Mut macht und was meinen Glauben, dass nicht das Böse, die Machtbesessenheit, die Grausamkeit  und das Leid das letzte Wort hat, sondern die Menschlichkeit. Das Kalenderblatt des Deutschlandfunks vom Oktober 2021 über den Träger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels, Viktor Gollancz. Der Jude Gollancz organisierte von Großbritannien aus Hilfssendungen in das zerstörte Deutschland, dessen Not ihn rührte – ohne je die Gräuel zu vergessen, die die Deutschen verübt hatten. In dem Bericht des Deutschlandfunks hieß es: „Zunächst gegen den Willen der Regierung schickten britische Bürger Lebensmittelpakete nach Deutschland. Was ihm aus der britischen Besatzungszone Tausende Dankesbriefe einbrachte, sorgte in England für wütende Reaktionen. Sein Verlag wurde Ziel von Anschlägen, ebenso wie 1948, als er im israelischen Unabhängigkeitskrieg auch zu Spenden für die arabische Zivilbevölkerung aufrief. Der Vorwurf war immer der gleiche: Parteinahme für den Gegner oder Feind: ‚Ich war niemals mehr prodeutsch als ich profranzösisch, projüdisch, proarabisch oder sonstwas war. Ich hasse alles, was pro und anti ist. Ich bin nur eins: ich bin pro Menschheit.‘“

Wir können uns ein Beispiel nehmen. Wer glaubt denn, dass die Putins dieser Welt stärker sind als wir?  

Nachtrag am 27.2.22

Verweigern wir nicht das Handeln nach dem Motto: „Hunderttausende sagen: einer allein kann ja doch nichts tun!“  Legen wir nicht die Hände in den Schoß mit der resignativen (oder bequemen) Begründung „Das hilft ja doch nichts!

Ich glaube daran, dass es nicht ohne Wirkung bleibt, wenn über hunderttausend  Menschen in Berlin demonstrieren (die Veranstalter hatten mit 20 000 gerechnet!). Selbst, wenn wir nie erfahren werden, ob eine solche Demonstrationen direkte politische Wirkungen hat, sicher ist: Diese Bilder sprechen eine Sprache, der man sich nicht so leicht entziehen kann. Sie stärken und sie helfen, Hilflosigkeit zu überwinden und Solidarität zu stärken.

Demonstrieren wir, mischen uns ein! Und wenn es nur durch die Unterschrift unter einen offenen Brief ist:     

https://secure.avaaz.org/campaign/de/stop_the_war_loc/?czAMdbb

Momentaufnahme um 18.03 Uhr am 27.2.22

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