Die saudische Frauenrechtlerin Loujain al-Hathloul1 ist vor ein paar Tagen zu knapp 6 Jahren Gefängnis verurteilt worden. Wegen Störung der öffentlichen Ordnung. „Sie war Im November 2020 nach Abschluss des G20-Gipfels in Riad, angeklagt, sich für Frauenrechte eingesetzt zu haben, an internationalen Konferenzen über die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien teilgenommen zu haben sowie in Kontakt mit europäischen Diplomaten gewesen zu sein,“ lese ich in Wikipedia.
Nicht ihr erster Gefängnisaufenthalt. Verurteilt worden war Loujain al-Hathloul zuvor, weil sie sich dagegen wehrte, dass jede saudische Frau automatisch unter der Vormundschaft eines Mannes steht (Ehemann, Vater, Bruder..) Ins Gefängnis kam sie auch, weil sie dafür kämpfte, dass auch Frauen in Saudiarabien Auto fahren dürfen. Dürfen sie inzwischen tatsächlich, was aber nichts an ihrer Verurteilung änderte.
Die Bundesregierung ist über das erneute Urteil empört. Bärbel Kofler, die Menschenrechtsbeauftragte im Auswärtigen Amt wettert: Es sei nicht nachvollziehbar, dass al-Hathloul nach Anti-Terrorismusgesetzen verurteilt worden sei, ein strafwürdiges Verhalten sei nicht erkennbar. Ihr Fall (keineswegs der einzige) zeige, dass „die saudischen Behörden mit übermäßiger Härte“ gegen Menschenrechtlerinnen vorgingen.
Schöne Worte, die nichts kosten. Ich bin skeptisch. Würde Loujain al-Hathloul in Deutschland Asyl bekommen, wenn sie bei uns anklopfte?
1998 (zugegeben, das ist eine Weile her) schrieb das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in einem Bescheid für eine afghanische Antragstellerin 2:
„Die Taliban haben für ihren Machtbereich die Rückkehr zur muslimischen Kultur und damit eine Abkehr vom westlichen Verhaltensmuster beschlossen. Ein solches Vorgehen kann naturgemäß nicht ohne Unterdrückung und Gewaltanwendung gelingen. Daraus jedoch eine Verfolgung […] abzuleiten, wäre verfehlt, da alle Maßnahmen […] die Allgemeinheit betreffen. Mag es auch zu Härtefällen kommen, so darf doch nicht übersehen werden, dass ein erheblicher Teil der Weltbevölkerung nach diesen Verhaltensmustern lebt.[…] Die Taliban achten darauf, dass Frauen sich gemäß der Normen der traditionellen islamischen Gesellschaft verhalten und kleiden und im öffentlichen Leben äußerste Zurückhaltung üben. Halten sich Frauen an diese Vorgaben, sind sie jedenfalls keinen Gefahren ausgesetzt, die über das Maß der Gefährdung hinausgehen, denen Frauen in Afghanistan ausgesetzt sind.“
Fazit: keine asylrelevante Verfolgung. Selbst schuld, wenn man sich nicht an die Regeln hält – egal wie diese aussehen…. Aktuell nimmt der Einfluss der Taliban in Afghanistan wieder zu.Wir werden sehen, wohin das führt.
Würde die Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge heute anders ausfallen? Vielleicht bei Menschen, deren Schicksal eine gewisse mediale Beachtung gefunden hat. Aber sonst?
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1. Die Fotografie stellt nicht die Frauenrechtlerin Loujain al-Hathloul dar, sondern eine unbekannte afghanische Frau in Kabul.
2. zitiert aus: Afifa Rahbar: Blüten der Hoffnung im Distelacker – Die Lage von AfganInnen im Land und im Exil. In : Terres des femmes (Hrsg.):Frauen in Afghanistan, Hoffnung auf Wandel Tübingen 2002, S.81