Damit Sie es nur wissen: Sie sind hier auf der Website einer Literaturpreisträgerin!

v.l. Johannes Fechner MdB, Ulrike Blatter, Ursula Neumann, Dieter Baumann, Andrea Ahlemeyer-Stubbe

 

Herzlich Willkommen
beim SPD – Ortsverein Gengenbach

Herzlichen Glückwunsch!

Am 3.10.20202 um 11:00 haben wir den Marta Schanzenbach Literaturpreis 2020 vergeben.

Das Thema des Wettbewerbs: Ehrenamt

Wir gratulieren den Preisträgeren

  1. Platz Ursula Neumann
  2. Platz Ulrike Blatter
  3. Platz Dieter Baumann

Vielen Dank für die spannenden Einreichungen.

 

Nun ja. zugegeben: es ist nicht gerade der Bettina von Arnim-Preis. Aber das muss man ja nicht so laut sagen.

Im Text der Ausschreibung stand:

Wer etwas zum Thema „Ehrenamtliche Tätigkeit“ zu sagen hat, beteiligt euch am Literaturwettbewerb Marta Schanzenbach –

Eingereicht werden können Prosa- oder Lyriktexte, die von einem Ehrenamt, einer einzelnen ehrenamtlichen Tätigkeit, von Anerkennung oder Nichtbeachtung des ehrenamtlichen Engagements allgemein oder von Ereignissen, Erlebnissen und Erfahrungen im Zusammenhang mit einer ehrenamtlichen Tätigkeit handeln. Jeder kann sich trauen!“

Ich habe mich also getraut und den Text „Gutmensch trifft Flüchtling“ eingereicht… und Erfolg gehabt. Den Text kann man hier nachlesen: https://ursula-neumann.de/gutmensch-trifft-fluechtling/

Vor diesem Literaturwettbewerb hatte ich keine Ahnung, wer Marta Schanzenbach war. Tatsächlich war diese Frau (neben vielen anderen Funktionen: Bundestagsabgeordnete seit 1949) eine ungewöhnliche, eine ungewöhnlich aktive, eine ungewöhnlich emanzipierte Frau „der ersten Stunde“ (https://www.spdgengenbach.de/dl/Marta_Schanzenbach-_Eine_Frau_der_ersten_Stunde_20200709_final.pdf)

Sowas ist selbstverständlich „mein Thema“ und wenn ich schon mal ein Mikrofon vor die Nase gestellt bekomme, dann gibt es kein Halten. Deshalb habe ich nicht nur – wie vorgesehen – meinen von der Jury als preiswürdig empfundenen Beitrag vorgelesen sonden auch einen Text  zu Macht, den damaligen und heutigen Verhältnissen was „die Rolle der Frau“ in der Gesellschaft angeht. (Als höflicher Mensch hatte ich mich selbstverständlich zuvor rückversichert, dass ich das darf.)

Es wäre meiner Meinung nach ethisch nicht vertretbar, Ihnen diesen Text vorzuenthalten.

Voilà:

 

Marta Schanzenbach im historischer Kontext und eine Lehre, die sie uns mitgeben könnte.

Ursula Neumann

Ich gestehe, bis vor wenigen Monaten war mir der Name Marta Schanzenbach unbekannt. Inzwischen habe ich mich ein wenig mit ihrer Lebensgeschichte befasst. Das möchte ich zum Anlass nehmen, diese Frau, diese Politikerin zu würdigen, die nicht nur in ihrem Beruf außerordentlich engagiert war, sondern sich für Gleichberechtigung, für die Rechte von Frauen einsetzte.

Was das in den fünfziger, sechziger Jahren bedeutete, lässt sich heute gar nicht mehr ermessen. Deshalb trifft es sich vielleicht gut, dass ich vor vielen Jahren ein Büchlein mit O-Tönen dieser Zeit verfasst habe. Allerdings schränke ich ein: Wer glaubt, wir seien heute entschieden weiter, täuscht sich meiner Meinung nach. Die Mechanismen sind nur subtiler und damit weniger durchschaubar… Nicht immer geht es so offensichtlich in die Hose, wie wenn Herr Lindner Altherrenwitze macht.

Ich gestatte mir also – und ich gehe davon aus, dass Sie mir das auch gestatten – eine ganz, ganz kurze Zeitreise in die 50er und 60er Jahre des letzten Jahrhunderts.

1952 berichtete der Regensburger Bischof in einem Hirtenbrief von einer „brave(n) Mutter“, die ihm kürzlich gesagt habe: „Politik betreibe ich nicht. Meine Politik ist die gute Erziehung meiner Kinder.“ (S.40f.)

Natürlich ging es nur darum, die Frauen zu schützen. Vor Zumutungen, die ihrem Wesen nicht entsprächen und wenn es sein musste, auch vor sich selbst. So schaudert die EKiD: „“In der sowjetischen Besatzungszone sind Bestrebungen vorhanden, die Frau in die Berufstätigkeit hineinzuzwingen… und so der menschenfeindlichen Theorie Geltung zu verschaffen, dass die Frau nur bei wirtschaftlicher Eigenexistenz durch Berufstätigkeit als eigene ökonomische Person Freiheit besitze“.(S.41)

Marta Schanzenbach hätte wenigstens mildernde Umstände wegen ihrer Berufstätigkeit bekommen, denn sie gehörte zu den vielen Frauen, deren Mann im Krieg geblieben war. Das waren die guten Berufstätigen. Aber alle andern? Von denen hieß es zum Beispiel 1956 in einem „sozial-pädagogischen“ Buch über die erwerbstätige Frau: Bei diesen „sogenannten Müttern ist das liebe Ich immer wichtiger als die Interessen an Mann und Kind, einerlei, ob es sich um eitle Vergnügungssucht, um ungesunde Intellektualität, um Geldgier, Koketterie oder sonstige Schwächen handelt.“ (S.36)

Damals war die Katholikin Marta Schanzenbach, deren Kinder 1936 und 1939 geboren wurden, bereits etliche Jahre im Bundestag und musste sich da so einiges anhören. Zum Beispiel von ihrer SPD-Kollegin Meyer-Laule am 27.11.1952 „Wenn die Gesellschaft die materielle Scherung der Familie gewährleistete, würden viele Frauen gern zum Mutterberuf als ihrer wesentlichen, wenn nicht einzigen gesellschaftlichen Aufgabe zurückkehren“ (S.81).

Mit Blick auf die DDR, die damals noch Ostzone hieß, meinte Familienminister Wuermeling: „Ich meine, wir sollten unsere Frauen und Mütter nicht nur vor solchen Neuerern schützen, sondern wir sollten auch den Weg zu solchen Entwicklungen nicht eröffnen oder freigeben. In letzter Konsequenz enden diese Dinge dann im Kohlen- oder Uranbergwerk.“ Das ging der SPD denn doch zu weit: „Darf ich den Herrn Minister fragen, ob er die Gleichberechtigung der Frau als ein Abrutschen in den Uranbergbau betrachtet?“ lautete eine Zwischenfrage (S.81).

Was Wesen der Frau war und was ihr – und der Gesellschaft – frommte war Konsens. Nicht nur bei den Kirchen, in der Politik, sondern auch bei den Juristen. Ein besonders hübsches Beispiel dafür liefert Dürig –  dessen Grundrechtskommentar mindestens unter JuristInnen heute noch bekannt sein dürfte: „Infolge der unstreitigen Präponderanz der Freiheit über die Gleichheit… muss auch die Freiheit der Frau gewährleistet bleiben, sie benachteiligende Ungleichheiten hinnehmen zu dürfen“ (80). Die Experten der Medizin ließen sich auch damals nicht lumpen. Der relativ liberale Mediziner Prof. Kirchoff wusste in seinem Eröffnungsvortrag des 64. Deutschen Ärztetages im Jahr 1961: „Die vornehmeste und höchste Aufgabe im Leben der Frau bedeutet die Erfüllung der Mutterschaft. Durch zu frühzeitig einsetzende Erwerbstätigkeit… können reparable, aber auch irreparable an den Geschlechtsorganen entstehen… Folgerichtig  muss daher für die Verantwortungsträger einschließlich des Arztes das oberste Ziel sein, die Fortpflanzungsfähigkeit zu erhalten helfen, sollen nicht Familie und Volk ernsten Gefährdungen entgegengehen…. Ich stelle… in meinem Referat… nur einen einzigen Punkt zur Diskussion, der eine ungewöhnlich harte, vielen von Ihnen utopisch klingende Forderung beinhaltet….Er lautet folgendermaßen: Eine Mutter mit Kindern bis zu 15 Jahren gehört nicht in eine außerhäusliche Berufsarbeit; ihre Aufgabe ist es, die Hüterin der Familie zu sein.“ (33)

AbweichlerInnen konnte man mit der Lupe suchen. Auch unter den Frauen. Das ist nicht verwunderlich, denn wenn frau nur oft gehört hat, wie eine richtig-richtige Frau ist und was gut und schädlich für sie ist, dann gehört einiges dazu, sich aus diesem Korsett zu befreien.

Was Marta Schanzenbach damals für sich und andere geleistet hat – dazu gehört viel. Viel Kraft, Durchhaltevermögen, Selbstbewusstsein, Treue zur eigenen Überzeugung. Und ich bitte Sie, sich die Umstände zu vergegenwärtigen, unter denen sie zu ihrem Engagement angetreten ist. 

Ist es heute so viel anders?

Sicher, heute hätte sie es einfacher. Aber machen wir uns nichts vor. So viel weiter sind wir heute auch nicht. Kürzlich brachte DER SPIEGEL einen Bericht über eine der wenigen weiblichen Vorstandsmitglieder Aufsichtsrätinnen, die es in Deutschland gibt.(Streit über Haftungsfragen während der Elternzeit, der Spiegel 17.9 ).

 Es geht also um eine Frau, die die gläserne Decke durchstoßen hat. Sie bekam ein Kind und wollte ihr Vorstandsmandat für einige Monate ruhen lassen. Ohne Bezüge. Geht nicht: Sie bleibt juristisch haftbar für das, was der Vorstand ohne sie beschließt. Wenn sie das nicht will, kann sie nur das Mandat niederlegen. Der Bundestag will sich der Sache annehmen. Zugegeben: das ist auf den ersten Blick gewiss kein zentrales Problem, aber ein typisches, wenn es darum geht, wie elegant – ohne jede explizite Frauenfeindlichkeit – Regelungen verhindern, dass Frauen nach ganz oben kommen.

So weit, so schlecht. Mich interessieren in solchen Fällen immer die Diskussionsbeiträge. Und da hat mich erschreckt, wie viele von Häme, Feindseligkeit, belehrendem Ton geprägt waren (übrigens von Frauen und von Männern). Für eine Krankenschwester, eine Sachbearbeiterin, eine Arbeiterin am Fließband – da mag man noch Verständnis haben, aber eine Frau, die ganz nach oben will – NEIN!

Ich zitiere:

„Es ist offensichtlich wichtiger, für die armen unterdrückten Frauen mit einem 7-stelligen Jahresverdienst etwas zu tun als für den entsorgten Arbeiter-Vater, der zwar für seine Kinder zahlt, sie aber nicht mehr sehen darf.“..

„Es wird langsam Zeit anzuerkennen, dass man nicht alles haben kann im Leben.“

„Wann sagt man den Menschen mal, dass sie einfach selbst Verantwortung für ihre Entscheidungen übernehmen müssen und es nicht immer auf Andere abwälzen können? Nein, ich will am besten mehrere Vorstandsposten aber gleichzeitig auch maximale Freiheit und Zeit mit der Familie, so als wäre ich Hausfrau/-Mann und Mutter/Vater.“

Selbstverständlich beschäftigt sich der Bundestag damit, das eine oder andere Goldröckchen hofft ja schon auf einen Quotenplatz in der Privatwirtschaft

„Das ist nur wieder eine weitere Ego-Nummer. Alles haben wollen, aber auf nichts verzichten / sich auf nichts festlegen.“

Das Leben ist halt kein Wunschkonzert…ein Heidengeld machen und gleichzeitig auf Happy Family passt nunmal derzeit nicht zusammen…wird Zeit das auch die Vorstände realisieren, das sie nicht alles haben können.

Dass Vorstände seit jeher ganz selbstverständlich „alles“ haben können: Aufsichtsratsposten, hohes Salär und einen Stall voll Kindern, wird geflissentlich übersehen. Es gehört nur ein Kriterium dazu: das richtige Geschlecht.

 

Der Faktor Macht

Es geht um Macht und deshalb ist diese Angelegenheit eben doch keine Petitesse und damit wieder zu Marta Schanzenbach. Marta Schanzenbach muss eine machtbewusste Frau gewesen sein. Wenn ich das so sage, zucke ich innerlich zusammen. „Machtbewusst“ und „Frau“ das geht irgendwie immer noch nicht zusammen. Aber ich bin sicher: Kein SPD-Vorsitzender hat bei ihr geklingelt und gefragt: „Genossin Marta, hättest Du nicht Lust, dich in den Bundestag wählen zu lassen?“ Sondern, wenn man das wird, was Marta Schanzenbach geworden ist, dann wird man es nur, weil man es will, es geht nur, wenn man auch seine Ellenbogen gebraucht, ja, manchmal auch nur dann, wenn man den anderen wegbeißt.

Nicht: „ach Karriere, das ist mir nicht so wichtig!“ Nicht: „wenn die es nötig haben, sich zu profilieren – ich hab’s nicht nötig, ich bleibe lieber im Hintergrund“ und was dergleichen Sätze mehr sind, mit denen sich Frauen in die eigene Tasche lügen und sich noch wer weiß wie moralisch überlegen vorkommen..

Die Lektion, die uns Marta Schanzenbach gibt: Wenn man oder frau was bewirken will, dann braucht man und frau Macht und Einfluss.

Ehrenamt, bürgerliches Engagement ist das eine. Wo wir einfach sehen: da muss was getan werden, da bin ich aufgerufen als Mitmensch, als Bürger und Bürgerin.

Aber wenn wir uns nur darauf beschränken, wenn wir auf die mit der Attitüde der scheinbar ehrenwerteren Moral auf die herabsehen, die auf zwei Beinen stehen wollen: mitmenschliches Engagement und Einfluss  – ganz so als sei das eine Altruismus und das andere Egoismus – wenn wir das tun, dann sind wir nichts anderes als nützliche Idioten, pardon: Idiotinnen. 

(Zitate aus: Ursula Neumann, Ohne Jeans und Pille – als man noch heiraten musste, Stuttgart 1994)  

 

 

  

 

 

 

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