Corona-Folgen: verweigerte Therapien, nicht wahrgenommene Arzttermine und das Leid der Kinder

Wir wissen nicht, wie es weitergeht. Kann sein, dass es jetzt nur noch um Aufarbeitung der Fehler geht, die in den letzten Monaten gemacht worden sind, kann auch sein, dass es notwendig ist, uns möglichst gut vorzubereiten, damit nicht jeder Blödsinn wiederholt wird, der zwischen Februar und heute begangen wurde. Wobei „Blödsinn“ ein Euphemismus ist.

Ich hatte schon berichtet, dass zwei (relativ junge) Schlaganfallpatienten, die im Heim lebten, aufgrund des Lockdowns keine Physiotherapie mehr erhielten. Vorher konnten sie – wenigstens ein bisschen – gehen. Jetzt sind sie bettlägerig.

Offensichtlich keine Einzelfälle: Der Ehrenvorsitzender des Hausärzteverbandes Hamburg, Klaus Schäfer, bat darum, Vorkommnisse zu melden, in denen notwendige Therapien/Behandlungen in Heimen unterblieben, weil der Zugang zu den PatientInnen verwehrt wurde. Da meine Homepage auch von „einschlägigen Personen“ gelesen wird, hier der ganze Aufruf samt E-Mail-Adresse  

COVID-19-Pandemie: Angst vor Infektionen führte zu verweigerten Therapien in Pflegeheimen

Ein Aufruf von Klaus Schäfer, Ehrenvorsitzender des Hausärzteverbandes Hamburg

 

Um die Infektionsgefahr für die Bewohner von Pflegeeinrichtungen zu reduzieren, hatte die Stadt Hamburg alle Einrichtungen für Besuchende geschlossen. Davon ausgenommen waren jedoch Behandlungen von Ärzten und Therapeuten.

Wie Klaus Schäfer dem DeutschenArztPortal berichtete, haben jedoch mehrere Hamburger Alten- und Pflegeeinrichtungen aus Angst vor Infektionen keine Ärzte und vor allem keine Therapeuten zu ihren Bewohnern gelassen. Eine Therapiepause sei jedoch sehr kritisch, da von Ärzten sowieso nur Therapien verordnet würden, die notwendig und zweckmäßig seien, so Herr Schäfer. Eine Therapiepause ließe in vielen Fällen eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Patienten befürchten. Wenn beispielsweise die notwendigen Bewegungs- und Sprachtherapien fehlten, würde dies die Behandlung um Monate zurückwerfen. Die Gesundheitsbehörde hat dies in ihrer Verordnung berücksichtigt.

Die Angst vor eingeschleppten Infektionen durch Therapeuten ist unlogisch, da Pflegepersonal doch ebenso Kontakte nach außen hat und nicht in Quarantäne lebt.

Laut Herrn Schäfer ist es sehr wichtig, dass Ärzte und Therapeuten, deren Therapien von Einrichtungen verweigert wurden, dies der zuständigen Behörde oder Heimaufsicht melden, falls ein Gespräch mit der Heimleitung erfolglos bleibt. Dies ist insbesondere auch zukünftig von hoher Bedeutung, falls es zu einer zweiten Welle der Infektionszahlen kommt. Hamburg ist Herrn Schäfer zufolge kein Einzelfall: Er hat inzwischen auch von Pflegeheimen in Bayern und Niedersachen gehört, in denen keine Physiotherapie möglich gemacht wurde.

Ist in Ihrer Region Ärzten und/oder Therapeuten der Zutritt zu einem Alten- oder Pflegeheim verwehrt worden oder haben Sie von Kollegen gehört, denen dies passiert ist?

 

» Schreiben Sie uns

info@rpinstitut.com

DeutschesArztPortal – Praxis-News <news.arzt@dapmail.de> 2.7.20):

 

 

Das ist das eine.

Das zweite ist da Ergebnis einer Umfrage (allerdings nur für ÄrztInnen zugänglich). https://www.aend.de/article/207021, an der zwischen dem 24- 26. Juni 2020 483 HausärztInnen und 880 niedergelassene FachärztInnen teilnahmen:

Unter der Überschrift

„Praxen warnen vor Folgen der Corona-Zurückhaltung“

heißt es: „Alarmierende Zahlen aus der jüngsten änd-Umfrage: Noch immer bleiben coronabedingt Patienten den Praxen fern, die eigentlich medizinisch betreut werden müssten. Fast drei Viertel der befragten Haus- und Fachärzte kennen Patienten, die wichtige Kontrolluntersuchungen oder Behandlungen aufschieben, wodurch ihnen gesundheitliche Nachteile drohen könnten.“ Genauer: bei den HausärztInnen geben 81% an, solche Fälle in ihrer Praxis zu haben, bei den FachärztInnen sind es 67%.

 

Gut, trotz allem, trotz aller möglichen schlimmen Folgen sind das doch irgendwie Luxusprobleme. Beinahe. Mindestens wenn man das folgende Interview liest:

Kinder in der Coronakrise „Wo es vorher schlimm war, wird es nun noch schlimmer“https://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/unicef-zu-gewalt-gegen-kinder-uno-sonderbeauftragte-najat-maalla-m-jid-im-interview-a-6957c00b-237f-4993-b3c0-059386fadc62 ….  

Viele Kinder weltweit leben unter dramatischen Bedingungen. Najat Maalla M’jid, Uno-Sonderbeauftragte zu Gewalt gegen Kinder, spricht über häusliche Gewalt, Armut und Missbrauch sowie die Auswirkungen der Coronakrise.

Maalla M’jid: Die Pandemie ist nicht nur ein gesundheitliches Problem. Eine Folge des Lockdowns in vielen Ländern war eine Zunahme von Gewalt gegen Kinder in ihrem Zuhause. Viele Kinderschutzeinrichtungen und Sozialdienste wurden geschlossen, die Opfer konnten den Situationen also kaum entfliehen und auch nicht mit Sozialarbeitern, Lehrern oder medizinischem Personal sprechen. Vor allem Kinder, die sich ohnehin in schwierigen Situationen befinden, werden durch die Coronakrise noch verletzlicher….

 

Ceterum censeo… ich weiß, ich wiederhole mich – aber das täte ich nicht, wenn sich das Folgende wirklich rumgesprochen hätte: Es ist nicht nur blödsinnig, sondern es ist sträflich, den Blick nur auf Corona-Infektionen, Corona-Tote, Corona-Abwehrmaßnahmen zu richten.

Think twice!   

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

Nach oben scrollen