Beifang

Zur Erinnerung: Ukraine 2014 – es ist alles ein bisschen komplizierter

Als ich (verdammt lange und letztlich vergeblich) nach dem Link für den Artikel „Rette sich, wer kann“ von Nicolas Richter in der Süddeutschen vom 22.03.14 suchte (siehe mein letzter Beitrag: es ging um das desaströse US-amerikanische Gesundheitssystem), fand ich nicht nur das Zitat von Senator Ted Cruz. Dieser verglich damals die Pläne Obamas für eine generelle Krankenversicherung (Obamacare) mit dem Regime Adolf Hitlers. So schnell wird man zum Faschisten.

 

Ist/war die Ukraine eine lupenreine Demokratie?

Apropos Faschist: bei meiner Suche nach dem Artikel über das amerikanische Gesundheitssystem fand ich eine kurze Notiz zur Ukraine vom 22.03.2014:

Konflikte: Militanter Flügel des Maidan gründet eigene Partei

„Kiew (dpa) – Der gewaltbereite Flügel der ukrainischen Protestbewegung, der nationalistische Rechte Sektor, hat in Kiew eine eigene Partei gegründet. Der Vorsitzende Dmitri Jarosch trete bei der Präsidentenwahl am 25. Mai an, teilte die Partei mit.

Die Gruppierung stellte den militanten Kern der Proteste gegen den inzwischen gestürzten Präsidenten Viktor Janukowitsch. Kritiker bezeichnen sie als Faschisten. Die russische Justiz hat gegen Jarosch Haftbefehl wegen Terrorismus erlassen.

Basis des Rechten Sektors sind Splittergruppen, die sich an den Nationalisten Dmitri Donzow (1883 bis 1973) und Stepan Bandera (1909 bis 1959) orientieren.“

 

Das war – wie gesagt – 2014. Es gibt Dmitri Jarosch immer noch: „Im April 2015 wurde Jarosch zum Berater des Generalstabs der Ukrainischen Streitkräfte ernannt. Er soll als Vermittler zwischen den Freiwilligenbataillonen und dem Generalstab dienen“ liest man auf Wikipedia.

Und weiter (neben einigen von ihm dementierten Vorwürfen des Antisemitismus): „Jarosch bezeichnet die Ukraine als ein „europäisches Land“. Er lehnt allerdings einen Beitritt zur EU ab, der er eine antichristliche Ausrichtung vorwirft.“

 

Die Quelle „Voltairenet“, über deren Zuverlässigkeit ich nicht sagen kann, schreibt: 

Am 2. November 2021 ernannte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj den Nazi Dmitro Jarosch, Gründer der Ukrainischen Freiwilligenarmee, zum Berater des Oberbefehlshabers der ukrainischen Armeen, General Valerii Zaluzhnyi.“

 

Liebe Moralisten, seid vorsichtig mit schnellen Urteilen

Ich habe mir daraufhin einige Artikel aus dem Archiv der Süddeutschen von 2014 (also aus der Zeit der Besetzung der Krim durch Russland) angeschaut. Und fände es gut, wenn andere das auch tun würden. Zum Beispiel den Artikel vom 23.3.14Konflikte: Steinmeier warnt vor Ausweitung der Krim-Krise.

Ich kann nicht erkennen, dass „der Westen“ damals nur doof, naiv und gutgläubig war. Die Dinge waren verwickelter, wie sie auch jetzt verwickelter sind. Hier die Bösen – dort die Guten, das ist einfach nur dumm. Die Ukraine war damals keine „lupenreine Demokratie“, sie ist es auch heute nicht. Das relativiert nicht im Geringsten die Tatsache, dass Putin einen mörderischen, verbrecherischen Angriffskrieg führt.

Gewiss, manches hätte man damals ahnen, voraussehen, wissen können. Aber das werden uns die Kommentatoren in 8-10 Jahren auch über unser heutiges Verhalten vorwerfen können. Wie heißt es in der Bibel so schön – an die Adresse der immer alles besser wissen Moralisten: „richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet! (Mt 7.1)“

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