Aus gegebenem Anlass: Kleine Notiz zum Thema: Kirchen und Geld
Es gibt zwar immer noch Leute, die die Kirchensteuer damit begründen, dass die Kirchen „ja so viel Gutes“ tun und dabei zum Beispiel an Kindergärten denken. Aber bei den meisten hat sich herumgesprochen, dass diese Einrichtungen – wie bei anderen Trägern auch – zum ganz überwiegenden Teil durch staatliche/kommunale Leistungen und Beitragsgebühren finanziert werden. Der Eigenanteil der Kirchen beträgt zwischen 12% und 0%, der Elternbeitrag liegt um die 10% (Carsten Frerk, Violettbuch Kirchenfinanzen. Wie der Staat die Kirchen finanziert. Aschaffenburg 2010, S 140f.). Dass der konfessionelle Pflegedienst nicht anders als der private das Geld von den Krankenkassen/Pflegeversicherungen bekommt, ist inzwischen auch geläufig.
Was hat es nun mit den 569,5 Millionen Euro (Stand 2020) auf sich? Das sind die Staatsleistungen, zu denen sich die Bundesrepublik verpflichtet fühlt. Warum? Weil vor 217 Jahren (in Worten: zweihundertsiebzehn) Jahren, also 1803 in Deutschland Kirchengüter enteignet wurden.
Da dies keine historische Arbeit ist, wird hier nicht auf die Frage eingegangen, wie die Kirchen zuvor an diese Güter gekommen sind… Auf alle Fälle zahlt der Staat seither – das war mal das Deutsche Reich, dann die Weimarer Republik, das NS-Regime und dann die Bundesrepublik – „Staatsleistungen“ Jahr für Jahr… mit steigender Tendenz. Und das, obwohl schon in der Verfassung der Weimarer Republik (1919) und im Grundgesetz (1949) steht, dass diese Staatleistungen „abzulösen“ seien, d.h. so sollte es nicht bis zum St. Nimmerleinstag jährlich so weitergehen. Passiert ist nichts. Das heißt: Passiert ist schon was: 1950 gehörten 96% der Bundesbürger einer der beiden großen Konfessionen an. 2018 waren es 53% .Wenn das so weiterginge, wäre denkbar, dass es kein einziges Kirchenmitglied in Deutschland mehr gibt, aber die Staatsdotationen ungemindert und verfassungswidrig weiterflössen.
Bevor ich noch genauer erläutere, was genau mit diesen Staatsleistungen geschieht, noch eine notwendige Klarstellung:
Zum einen wurden 1803 keineswegs nur Kirchengüter enteignet. Sondern z.B: Grafschaften, Reichsstädte. Mir wäre nicht bekannt, dass diese seit 217 Jahren aufgrund dieses Umstandes Staatsknete bekämen. Vielmehr: „Die Enteignung und Entrechtung der Reichsstände erfolgte in der Regel ohne Entschädigung.“ (Johannes Neumann, Der Reichsdeputationshauptschluss von 1803, in: Humanismus und Kirchenkritik – Beiträge zur Aufklärung. Hg. Horst Groschopp, 2019,79 – 110, 95).
Zum anderen: ausgenommen von der Enteignung waren ausdrücklich alle Kirchengüter, die der Seelsorge, dem Unterricht oder der Caritas dienten: „“insbesondere [soll] jeder Religion der ungestörte Genuß ihres eigentümlichen Kirchengutes, auch Schulfonds… ungestört verbleiben…. Fromme und milde Stiftungen sind, wie jedes Privateigentum zu konservieren…“ (Reichsdeputationshauptschluss § 63 und 65, zitiert nach Johannes Neumann, a.a.O. S 96, Anm. 34). Anscheinend blieb noch eine Menge zum Enteignen übrig, was nicht in diese Kategorien fiel. Sondern? – fragt man sich.
Was finanziert nun der Staat mit den Staatleistungen getreulich? Ich will Sie nicht langweilen und beschränke mich auf einen Punkt: Die katholischen Bischöfe bzw. die evangelischen Bischöfe/Kirchenpräsidenten bekommen Monat für Monat, Jahr für Jahr aus dem staatlichen Steuersäckel das Gehalt eines Staatssekretärs. Das waren 2002 wenigstens 10653,81 Euro. Und selbstverständlich: Wenn die Besoldung staatlicher Beamten steigt, steigt das Salär der Bischöfe in exakt derselben Höhe (Frerk, a.a.O. S. 76 u. S. 74).
Warum erzähle ich das alles? Weil FDP, Grüne und Linke gerade einen Gesetzentwurf einbringen, um endlich (nach 100 bzw. 70 Jahren) den Bestimmungen der Weimarer Reichsverfassung und des Grundgesetzes genüge zu leisten. Art 138 (1) Weimarer Reichsverfassung: „Die auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhenden Staatsleistungen an die Religionsgesellschaften werden durch die Landesgesetzgebung abgelöst…“ Dieser Artikel gilt in der Bundesrepublik weiter: Art. 140 GG: „ Die Bestimmungen der Artikel 136, 137, 138, 139 und 141 der deutschen Verfassung vom 11. August 1919 sind Bestandteile dieses Grundgesetzes.“
„Ablösung“ heißt – das kennen wir vom Fußball – da wird eine Ablösesumme fällig. O.K. Aber warum der Gesetzentwurf jetzt gerade als eine Ablösesumme vorschlägt, den jährlichen Betrag (Stand 2020) mit 18,6 zu multiplizieren, bleibt geheimnisvoll. Nicht aber, was das in Zahlen bedeutet: 10,6 Milliarden Euro.
Johann Albrecht Haupt von der Humanistischen Union, der sich (wie Carsten Frerk von der Giordano-Bruno-Stiftung) für ein Ende dieses zweihundertjährigen Geldsegens stark macht, schmeckt das verständlicherweise nicht. Aber da inzwischen auch bei CDU/CSU und SPD die Bereitschaft zur diesbezüglichen Grundgesetztreue gewachsen ist, wird der saure Apfel ein Kompromiss sein, mit dem den Kirchen ein „Ja“ versüßt wird.
Diese sind inzwischen nämlich nicht mehr ganz so abgeneigt: „Vor allem aber hat bei den Kirchen ein Umdenken eingesetzt. Auch dort sieht man die Leistungen, die keine fünf Prozent der Einnahmen ausmachen, mittlerweile kritisch. Kirchenvertreter geraten regelmäßig in Not, wenn sie erklären sollen, warum zum Beispiel die Gehälter der Bischöfe und Domkapitel über die Staatsleistungen finanziert werden.“ (Süddeutsche Zeitung vom 13.3.20: Matthias Drobinski, Der ewige Ablass https://www.sueddeutsche.de/politik/verhaeltnis-kirche-und-staat-der-ewige-ablass-1.4842431)…..
Und außerdem: sind ja nur 5% der jährlichen Gesamteinnahmen… also vielleicht doch zu verschmerzen. Und mit diese Dreisatzaufgabe entlasse ich Sie: wenn 569,5 Millionen Euro 5 Prozent sind – wieviel sind dann 100% ?
Ergänzende Korrektur von Johann Albrecht Haupt (15.3.20)
Herr Haupt machte mich auf einen Fehler aufmerksam. Da ich korrekt informieren möchte, zitiere ich hier aus seiner Mail:
„Mit der Bischofsbesoldung verhält es sich nach meiner Kenntnis etwas komplizierter. Das ist zwischen den Diözesen und den Landeskirchen ganz verschieden und zudem schwer zu ermitteln. Staatssekretärbezüge (B 10 Besoldungsordnung auf Landesebene) erhalten bis auf den Erzbischof in München m.W. die katholischen Bischöfe nirgends, häufig in der Größenordnung B 7 bis B 9. Das macht heutzutage schon einige tausend Euro weniger aus. Der evangelische Landesbischof von Baden erhält z.B. Besoldung nach B 7, die Diözesanbischöfe von Freiburg und von Rottenburg-Stuttgart werden nach B 8 besoldet. In anderen, „ärmeren“ Diözesen und Landeskirchen – vor allem im Osten – liegt die Bischofsbesoldung (bzw. Besoldung der Kirchepräsidenten) z.T. erheblich niedriger. Einen genauen Überblick habe ich nicht.
Außerdem trifft es eigentlich nicht zu, dass die Bischöfe ihr Gehalt „aus dem Staatssäckel“ bekommen. Die Staatsleistungen gehören zu den laufenden Einnahmen der Bistümer/Landeskirchen, eine Korrelation zwischen Bischofsbezügen und Staatsleistungen besteht – außer in Bayern – nicht, und zwar weder hinsichtlich der Höhe der Staatsleistungen noch hinsichtlich ihrer Zweckbestimmung.“
Hm…. „eigentlich“ bekommen die Bischöfe und ihre protestantischen Kollegen ihr Gehalt nicht aus dem Staatssäckel. Aber „uneigentlich“ doch schon, oder? Mindestens schließe ich das aus folgender Äußerung aus berufenem Munde. Julius Kardinal Meisner legte in einem Interview 2008 Folgendes dar: „Hohe katholische und evangelische Geistliche werden nicht aus Kirchensteuermitteln bezahlt, aber auch nicht – wie in Bayern – direkt vom Staat. Die Kirchen erhalten vom Land NRW eine pauschale ‚Dotation‘. Grundlage ist eine Ausgleichsverpflichtung für die komplette Enteignung von Kirchengütern in der Säkularisation… Der Berechnung liegt ein Personalschlüssel zugrunde, nach der der Erzbischof von Köln Anspruch auf ein Gehalt vergleichbar einem Staatssekretär der Besoldungsgruppe B 11 (Grundgehalt 10.653,81 €) hätte:“ (Kölnische Rundschau vom 23.12.2008. Zitiert nach Carsten Frerk, a.a.O. S.75.f.)