Zweifel einer Geimpften – an der Politik, der Wissenschaft und an sich

„Vollständiger Impfschutz“ – bitte nicht wörtlich nehmen!

Ich google „vollständiger Impfschutz“. O.k. Inzwischen weiß ich, dass „vollständiger Impfschutz“ kein vollständiger Impfschutz ist. Aber es macht mir keiner weis, dass nicht genau dies über Monate suggeriert wurde. Die Relativierung kam durch die Hintertür. Als ich zum ersten Mal von „Impfdurchbrüchen“ las, musste ich mich erstmal kundig machen, was das ist.

Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung schreibt am 6.10.21. (die noch heute aktuelle Fassung) nicht „Wer ist geschützt vor Covid 19?“ Sondern  „Wer gilt als geschützt vor Covid-19?“.  Eine wahrhaft feinsinnige Unterscheidung! Ob der Durchschnittsleser, die Durchschnittsleserin gegebenenfalls Verständnis für die rechtfertigende Äußerung haben wird: „Wir haben nie behauptet, dass Sie geschützt sind, sondern nur dass Sie laut regierungsamtlicher Definition für geschützt gelten. Lesen Sie das nächste mal gefälligst genauer!“  

Ich zitiere:

Wer gilt als geschützt vor COVID-19?

Nach aktuellem wissenschaftlichem Kenntnisstand und gemäß COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmeverordnung gelten folgende Personen als geschützt vor COVID-19 beziehungsweise haben einen Immunschutz:

  • Personen, die vollständig gegen COVID-19 geimpft sind (Personen, die noch nicht nachweislich an COVID-19 erkrankt waren und alle erforderlichen Dosen eines Impfstoffs erhalten haben sowie Personen, die an COVID-19 erkrankt waren und eine Impfdosis erhalten haben),
  • Personen, die nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 genesen sind (innerhalb der ersten sechs Monate nach Infektion).

 

Genesen oder auch nicht: „Ärzte, kennt ihr diese bizarre Corona-Regel?“

Das mit der „Genesung“ der an einer Covid-19-Infektion ist ein Kapitel für sich:

Am 21.09.2021 las ich DocCheck (vermutlich nur Zugang für ÄrztInnen etc.). unter obiger Überschrift über die seltsame Definitionen von „genesen“:  

„… Jetzt kommt nämlich der Trick: Man kann dank Antikörpertest zwar sicher sein, dass man eine Infektion hatte. „Genesen“ im Sinne der 2G- oder 3G-Definition ist man jedoch erst, wenn man auf den Antikörpertest, mit dem man die Infektion „sicher nachweisen“ kann, noch eine einzelne Impfung draufsattelt. Vorher ist man quasi ungenesen, obwohl man genesen ist.

Die neue Regel ist eine Lex mRNA [gemeint ist wohl ein Gesetz zugunsten der gebräuchlichen mRNA Impfstoffe]. Die politische Intention dahinter ist klar: In Zeiten, in denen sich die Corona-Sirenen in den sozialen Medien und relevante Teile der Öffentlichkeit auf die Impfquote als mehr oder weniger alleinigen Maßstab für die Angemessenheit Corona-politischer Maßnahmen eingeschossen haben, bleibt kaum etwas anderes übrig, als den Genesenen-Status über die Impfung zu definieren, um die Impfquote zu maximieren.“

Das lässt mein Vertrauen in „die Politik“ immens wachsen. Zumal mir nach kurzer Zeit bedeutet worden ist, dass mein „vollständiger“ Impfschutz löchrig ist und mir bereits nach 6 Monaten (!) eine Auffrischungsimpfung dringend empfohlen wird. Die mir dann aber wirklich-wirkliche Sicherheit gibt. Wirklich?

 

Und ich war mir so sicher, zu den Guten zu gehören!

„Impfen ist Nächstenliebe“ – protestantische Variante oder in der katholischen Version  „Sich impfen lassen ist ein Akt der Liebe“ (Na was sich halt ein Papst so unter einem Liebesakt vorstellt) – das hörte ich gern. Mein Bewusstsein, zu den Guten zu gehören, die nicht nur sich, sondern auch die bösen anderen, also die Impfunwilligen schützen, hielt leider nur eine Weile an.

Aber zunächst konnte ich mit dem Finger auf die zeigen, die mal wieder rücksichtslos ihre Oma gefährdeten und mit dem Gefühl moralischer Überlegenheit denken: Geschieht denen grad recht, wenn sie ihre Tests (ziemlich überteuert) selbst zahlen müssen und auf Regierungsverordnung hin ein bisschen wie Leprakranke früher behandelt werden. Manche kapieren es eben nur mit Druck! Bravo!

Aber jetzt kommen mir doch Zweifel…

„Immer mehr Virologen warnen davor, die Wirkung von 2G-Regeln zu überschätzen. Sie würden nur eine ‚Scheinsicherheit‘ geben, sagen die Experten. Virologe Hendrik Streeck findet kritische Worte für Geimpfte – und deren risikoreiches Verhalten.“ Das musste ich  gestern, am 06.11.2021 lesen!

Wie, was? Da habe ich mich brav impfen lassen und statt jetzt meine grenzenlose Freiheit genießen zu dürfen, wird mir „risikoreiches Verhalten“ vorgeworfen. Bloß weil ich womöglich infektiös bin (hat mir so vorher niemand gesagt) und die Infektion übertragen kann? Am Ende stehe ich noch am Pranger als Virenschleuder! Hat man mir nicht versichert, ich als Geimpfte brauche ich mich natürlich nicht testen lassen! Und jetzt das?

 

Was soll ich noch glauben? 

Nun, ich traue doch ziemlich dem, was Herr  Prof. streeck am 2.11.21. geäußert hat:

„‚Wir wissen gar nicht, wie häufig wir Infektionen bei Geimpften sehen, wir testen ja bei Geimpften kaum noch‘, bemängelte Streeck am Dienstag… Dass man hohe Infektionszahlen bei Kindern und Jugendlichen sehe, liege umgekehrt vor allem daran, dass in Schulen systematisch getestet werde. ‚Dieser Datenblindflug ist sehr schade für Deutschland.‘

Zusätzlich fehle ihm vonseiten der Politik ‚die ehrliche Kommunikation‘. […] Etwa beim Phänomen der Impfdurchbrüche: ‚Die Impfstoffe wurden ja nie darauf getestet, ob sie vor einer Infektion schützen‘, erklärte Streeck. In den sogenannten ‚Phase-3-Studien‘ sei lediglich belegt worden, dass die Impfstoffe vor einem schweren Covid-19-Krankheitsverlauf schützen. ‚Das machen sie sehr, sehr gut, darum kann man jedem raten, sich impfen zu lassen.‘ Zugangsbeschränkungen zum öffentlichen Leben für Menschen, die nicht geimpft sind, ließen sich daraus aber nicht ableiten. Streeck: ‚Über 2G und 3G zu diskutieren und Nicht-Geimpfte auszuschließen, finde ich nicht den richtigen Weg.‘

 

Wer sich gründlicher  über die Frage informieren will, für wen welche Gefahr besteht und wer welche Gefahr für wen darstellt , dem empfehle ich den Artikel von Prof. Dr. Vernazza von der St. Gallener Klinik für Infektiologie 

 

Eigentlich gehört nicht viel Fantasie dazu: 2G und 3G ist „nicht der richtige Weg“ [Streeck]

Die Begründung – mindestens für 2G, bei 3G bin ich mir unsicher –  für den Satz  von Streeck ist ziemlich einfach… und ich finde es erstaunlich, dass die Politik nicht die Fantasie hatte, von alleine drauf zu kommen.

Ich hab mal probehalber ein Interview mit mir selbst gemacht (macht ja sonst keiner, wofür mir schon lange jedes Verständnis fehlt)

Frage: Was passiert, wenn Ungeimpfte die Tests selber zahlen müssen?
Antwort: Sie lassen sich möglichst nicht testen. Auch wenn sie Symptome haben.

Frage: Wem hilft das?
Antwort: Weiß ich auch nicht.

Frage: Was passiert, wenn Nichtgeimpfte nicht ins Restaurant etc. dürfen.
Antwort: Sie spüren die unangenehmen Wirkungen ihres verwerflichen Tuns und lassen sich impfen.

Frage: Sind Sie sicher?
Antwort: Ähem… nicht so ganz.

Frage: Wie könnten die Nichtgeimpften stattdessen reagieren?
Antwort: Nichtgeimpfte feiern mit andern Ungeimpften zuhause.

Frage: Ist das in Ihrem Sinn?
Antwort: Kein Kommentar.  

Oder wie der Gesundheitswissenschaftler Rebitschek bereits dem Redaktionsnetzwerk Deutschland am 13.09.2021 sagte:

Er habe Zweifel, ob ein erhöhter Druck auf Ungeimpfte durch die 2G-Regel auf lange Sicht die zielführende Strategie ist. ‚Wie will man in Zukunft motivieren, wenn man auf Druck setzt?'“

Wer weiß, vielleicht ist die 2G-Regel im Grunde eine amtliche Aufforderung zum zivilen Ungehorsam gewesen?

Nunja, ich höre und lese, dass man in Regierungskreisen über die Wiedereröffnung der Testzentren nachdenkt und über manches andere auch.

Ich bin jetzt nur gespannt, welches der nächste Haken ist, der geschlagen wird.

2 Comments

  1. Marion
    10. November 2021

    Liebe Ursula, mir war von Anfang an bekannt, dass es bei dieser Impfung (wie bei allen Impfungen) keinen 100%igen Schutz gibt, sondern nur einen hohen. (Soviel ich weiß, ist der Schutz bei Grippeimpfungen sehr viel geringer.)
    Mitr war auch bekannt, dass Viren mutieren, und dass schon allein deswegen kein dauerhafter Impfschutz bestehen kann. (Grippeimpfung sollte jährlich wiederholt werden.) Dass Impfwirkungen nachlassen können, war zu befürchten, auch wenn manche anderes hofften.
    Da dieses Virus neu war, habe ich ebenso von Anfang an damit gerechnet, dass es ein Rumexperimentieren werden muß – ziemlich chaotisch, in der Tat, aber das ist in solcher Situation nicht anderes zu erwarten (nennt man, glaube ich, typisch wissenschaftlichen Erkenntnsiweg, anders als bei Offenbarungen). Es ist ein kollektiver Lernprozess, in dem vieles schief geht.
    Auch, dass „die Regierung“ in einer Demokratie (was besseres haben wir nicht) nicht mit einer einzigen Stimme sprechen kann/wird, war doch eigentlich klar. Die Hoffnung auf einen fürsorgliche und weise Staatsführung ist nachvollziehbar, gehört für mich aber in den Bereich der Übertragungen (Sehnsucht nach vollkommenen Eltern).
    Kurzum: Ich fühle mich weder getäuscht, noch irgendwie verunsichert; Deinen sarkastischen Ausführungen kann ich mich diesmal nicht anschließen.

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  2. Antje Herbig
    12. November 2021

    Liebe Ursula, ich fand auf deine Seite, weil ich – angesichts des Herumdreschens auf den Ungeimpften – immer wieder die Zeile des Brechtschen Manifests vor den inneren Ohren hatte…Ja, ich frage mich, wieviele Menschen sich entschlossen haben, ein schlechtes Leben mehr zu fürchten als den Tod. Und ich finde, genau das sollte man laut fragen. Das sollte als statistische Zahl erhoben werden. Und das sage ich als brave geimpfte Altruistin… Warum fragt das keiner: möchtet Ihr vielleicht lieber mit dem Risiko leben, ohne ärztliche Intensivversorgung an Corona zu sterben als diese staatliche Einschüchterungsdemagogik noch länger zu ertragen? Wir sind doch nicht Wesen aus Geist und Gehorsam sondern aus Fleisch und Blut und bedürfen sowohl der Nähe als auch der Autonomie.
    Lg Antje Herbig

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