Vor exakt einer Woche erhielt ich einen richtigen Brief. Richtige Briefe sind heute selten. Der Poststempel war passend (auch wenn das nicht in der Fähigkeit des Absenders lag: „Hier stehe ich. Gewissen & Protest“ ( es handelt sich um einen Hinweis auf die Landesausstellung in Worms). In dem Brief stand „Einladung zur Versammlung in Karlsruhe am 23.9. 2021 als Rednerin„. Eine Protestaktion gegen Corona-Maßnahmen. Man sei über meinen Blog auf mich gekommen. Nachdenken. „hm… eine Woche, das ist knapp. Hm… was sind das für Leute? …. Hm. Das würde bedeuten: Therapiestunden absagen und auf der blöden A 5 nach Karlsruhe und zurück gurken.“
Gut, ich habe mich ein bisschen kundig gemacht, wes Geistes Kind die „offene Gesellschaft Kurpfalz ist “ mit ihrer „Antihygienistischen Aktion“ (eine Bezeichnung, die meinetwegen von dem Philosophen Markus Gabriel geprägt wurde, die aber meiner Meinung nach unglücklich ist, wel sie einem auf eine falsche Fährte führt.)
Also Fazit: Bedenken werden zurückgestellt, Sonntag wird der Vortrag zusammengebastelt und los geht’s.
Als ich gestern am Donnerstag mein Vortragsmanuskript einpackte, kam noch was dazwischen, was ich den verehrten Leserinnenund Lesern nicht vorenthalten will, weil es auch ein bisschen typisch für unsere Situation ist:
Ich wollte das Manuskript in meinen Damen-Rucksack tun, zusammen mit einer Extra-neuen-Maske und räume das raus, was sich an Kruscht angesammelt hat. Und was finde ich: Ein ziemlich kräftiges Messer!!! Einfache Erklärung: Wenn ich Gladiolen oder sonstige Blumen schneiden gehe, nehme ich immer ein eigenes Messer mit, weil die völlig stumpf sind, die bei dem Blumenacker liegen. Tja.. und dann hatte ich so Fantasien: Taschenkontrolle in Karlsruhe, weil man Gewalttätigkeiten erwartet….. Und zu meiner Erklärung heißt es nur: „Wir haben schon bessere Ausreden gehört!“….. Hm. Könnte ich sogar verstehen.“
Ich mailte den Vorfall meinen Kindern, meine Tochter antwortete:
„Aber möglicherweise würdest du zu einer medialen Berühmtheit:
Terror-Seniorin greift an!! Karlsruhe. Am vergangenen Donnerstag kam es in der Karlsruher Innenstadt zu einer ungewöhnlichen polizeilichen Maßnahme. Eine harmlos wirkende Seniorin war auf dem Weg zum Rednerpult als sie im letzten Moment noch von einer Spezialeinheit der zuständigen Polizeibehörde geschnappt wurde – schwer bewaffnet mit einem Dolch. Wahrscheinlich handelt es sich bei der Dame um eine verwirrte Person, da sie, laut eigener Aussage nicht ins Gefängnis sondern in eine psychotherapeutische Praxis gehöre.“
Also, es fand keine Taschenkontrolle statt, es waren zwar ca. zwanzig Polizisten da – als ich eine Gruppe von ihnen fragte „Sie hätten jetzt auch lieber Feierabend?!“ erntete ich freundliche Zustimmung, sie fühlten sich verstanden. Von den Veranstaltern wurde auf Abstand und so strikt geachtet und auch explizit zur Gewaltfreiheit aufgerufen. Was aber – glaube ich – gar nicht nötig war, denn die 100 bis 200 Leute machten durchweg einen friedlichen Eindruck.
So. Und nun mein Text bei der Veranstaltung. Kann man inzwischen auch angucken
https://www.youtube.com/watch?v=5qNpyDNnxO0
Aufklärung bewahren statt Massenpsychose
1. „Ein Gespräch setzt voraus, dass der andere Recht haben könnte.“
Dies sagte der Philosoph Hans-Georg Gadamer in einem Interview im Jahr 2000. Da war er stolze 100 Jahre alt. Wäre nicht schlecht, wenn wir etwas früher drauf kämen.
Es geht nicht um Beliebigkeit, Relativismus. Sondern es geht um Respekt: ich respektiere und ich möchte respektiert werden.
Ich selbst vertrete in Sachen Corona eine dezidierte Meinung, weil ich mich gründlich und vielseitig informiert habe und informiere. Aber ich kann mich täuschen und ich gehe davon aus, dass die andern auch nicht grad blöd sind. Natürlich gibt es für mich auch Grenzen: Es gibt Leute, da ist diskutieren zwecklos, da gilt „Spare deinen Atem um die Suppe zu kühlen.“ Aber nach wie vor bin ich zuversichtlich überzeugt: Mit den meisten Menschen kann man sprechen.
2. Unsere Energie fließt dahin, worauf unsere Aufmerksamkeit gerichtet ist
Unsere Aufmerksamkeit wurde und wird seit eineinhalb Jahren auf Corona gelenkt. Sei es von der Politik oder von den Medien. Ich habe am 21.3.20 – also einem sehr frühen Zeitpunkt – mal bei einer Nachrichtensendung des Deutschlandfunks mitgezählt: Insgesamt gab es 14 Meldungen. Davon waren lediglich zwei „coronafrei“. Das war bis vor kurzem eher die Regel als die Ausnahme. Der Medienforscher Russ-Mohl hat auch gezählt: Bei ARD und ZDF bewegte sich der Corona-Anteil in den Hauptnachrichtensendungen über Monate zwischen 60 und 75%. Dagegen hätte die Klimakrise selbst in den Hochzeiten von Fridays for future kaum über 10% erreicht.
Das macht etwas mit uns: Es führt zum Tunnelblick. Mit der Folge, dass ein Teil der Wirklichkeit unverhältnismäßiges Gewicht bekommt und viele andere Dinge, die genauso wichtig sind, hinten runter fallen. Die Folgen kann man sich ungefähr analog zum Autofahren vorstellen: Sie achten ausschließlich auf Schilder zur Geschwindigkeitsbegrenzung aber ignorieren Stopp-Schilder, Ampeln, Zebrastreifen. Das Ergebnis dürfte wenig überraschend sein.
Ich weiß nicht, ob die Medien die Politik vor sich hergetrieben haben oder die Politik die Medien. Entstanden ist auf alle Fälle ein Teufelskreis: Die Menschen, denen vermittelt wurde, dass Covid unser zentrales und einziges Problem sei, sagen berechtigterweise zu den PolitikerInnen „handelt gefälligst“ und zu den Medien „berichtet gefälligst“.
Ein kleines Gedankenexperiment. Stellen Sie sich vor, was die Folgen wären, wenn jeden Abend in den Nachrichten folgende Meldungen kämen (für deren sachliche Richtigkeit ich gründlich recherchiert habe):
„Das Gesundheitsministerium teilt mit: Gestern starben 331 Menschen an den Folgen ihres Tabakkonsums.
260 Menschen sind nach Mitteilung des Gesundheitsministeriums auch gestern an den Folgen einer Blutvergiftung gestorben. Damit liegt die Rate dieser Todesfälle in Deutschland weiterhin ca. 10 -20% über der Rate anderer Industrienationen wie Großbritannien, USA und Australien
Das Umweltministerium meldet gestern 328 vorzeitige Todesfälle aufgrund von Feinstaubbelastung, 36 Personen starben vorzeitig durch Verkehrsabgase.“
Was würde geschehen, wie würden wir reagieren, wenn wir solche wahren Meldungen Tag für Tag hören würden?
3. „Du ahnst nicht, mein Sohn, mit wie wenig Verstand die Welt regiert wird“ und die Rolle „der“ Wissenschaft.
Das Zitat hat schon 400 Jahre auf dem Buckel und stammt von einem, der es wissen musste: dem schwedischen Reichskanzler Oxenstierna, der von 1583 bis 1654 lebte. Die Schweden scheinen schon damals recht klarsichtig gewesen zu sein.
Halbwegs verständige PolitikerInnen (davon gibt es durchaus etliche) holen sich zur Unterstützung „Experten“ aus der Wissenschaft. Ich habe „Experten“ in Anführungszeichen gesetzt, weil ich nur noch staunen kann, wie schnell man in den Adelsstand des Expertentums erhoben wird. Vorausgesetzt man gehört der richtigen Richtung an.
Das war für mich in den letzten Monaten erschreckend: Die Diffamierung von WissenschaftlerInnen, die nicht mainstreammäßig unterwegs waren. Sie hießen dann „sogenannte“ oder „selbsterklärte Experten“, sie vertraten „isolierte Einzelmeinungen“, sie würden „im Wissenschaftsbetrieb nicht ernst genommen“. Kurz sie seien „Wichtigtuer“ usw..
Das hat sich zwar inzwischen ein Stück geändert. Aber so schnell lassen sich die Folgen nicht beseitigen. Der Schweizer Medizinprofessor Vernazza berichtete, dass er von etlichen Wissenschaftlern die Mitteilung bekommen hätte: „Ich halte mich mit meiner Meinung zurück, ich habe Sorge, sonst meine wissenschaftliche Karriere zu gefährden.“ Wenn „wissenschaftlicher Diskurs“ so aussieht, darf das Ergebnis nicht überraschen. Zu unser aller Schaden.
Das ist das eine. Das andere: „Wissenschaft“ – das war hierzulande über ein Jahr lang „die“ Medizin (die es so ja auch nicht gibt), genauer „die“ Virologie/Epidemiologie“. Angeblich soll bei dem Beschluss zu den Schulschließungen kein einziger Pädagoge, keine einzige Sozialwissenschaftlerin zugezogen worden sein. Tunnelblick eben. Dabei hatte es schon damals durchaus Stimmen gegeben, die vor sozialen, pädagogischen, wirtschaftlichen, gesundheitlichen Folgen von Corona-Maßnahmen gewarnt hätten. Aber eben auch hier: Die Energie fließt dahin worauf unsere Aufmerksamkeit gerichtet ist.
4. Über die Verhältnismäßigkeit
„…wenn ich höre, alles andere habe vor dem Schutz von Leben zurückzutreten, dann muss ich sagen: Das ist in dieser Absolutheit nicht richtig. Grundrechte beschränken sich gegenseitig. Wenn es überhaupt einen absoluten Wert in unserem Grundgesetz gibt, dann ist das die Würde des Menschen. Die ist unantastbar. Aber sie schließt nicht aus, dass wir sterben müssen.“
Sie ahnen nicht, wer das im April 2020 sagte: Es war Wolfgang Schäuble – und damit wieder ein Beweis, dass es überall vernünftige Leute gibt. Und auch überall unvernünftige – manchmal dort, wo man sie wirklich nicht vermutet.
Zum Beispiel forderte ein anderer Politiker am 24.6.21 „‘Meine These lautet: Wenn wir frühzeitige Maßnahmen gegen die Pandemie ergreifen können, die sehr hart und womöglich zu diesem Zeitpunkt nicht verhältnismäßig gegenüber den Bürgern sind, dann könnten wir eine Pandemie schnell in die Knie zwingen‘ …. Möglicherweise müsse man dafür das Grundgesetz ändern.“
Man fragt sich: Was soll das heißen: Maßnahmen, die zu diesem Zeitpunkt nicht verhältnismäßig sind? Zu welchem Zeitpunkt wären sie denn verhältnismäßig? Ausgerechnet die politische Klasse, die ihre vorausschauende Weisheit in den letzten Monaten ach so überzeugend unter Beweis gestellt hat, soll künftig den Durchblick haben, welche „frühzeitigen Maßnahmen“ zielführend sind?
Ehe ich es vergesse: Der diese Worte sprach, war unser verehrter Ministerpräsident Kretschmann.
Und damit ich auch das nicht vergesse: Wir sind hier in Karlsruhe, der „Residenz des Rechts“. Ich wundere mich, dass ich außer dröhnendem Schweigen vom Bundesverfassungsgericht bislang nichts zu den Corona-Maßnahmen gehört habe.
5. Die Moralisierung
Was bei „der“ Wissenschaft durch die Diffamierung mit dem Stempel „unwissenschaftlich“ war, ist in ungleich größerem Ausmaß mit der Moralisierung der Frage der Corona-Maßnahmen geschehen. Wir finden uns gespalten vor in die „Guten“, die folgsam sind, nichts hinterfragen, als Hilf-Sheriffs streng andere angehen, die den 1.5.m Abstand nicht einhalten und die Polizei gerufen haben, als sich beim Nachbarn Leute aus drei Haushalten statt aus zweien trafen. Die „Bösen“, das sind die anderen, die egoistisch ihre Oma ins Grab bringen, rücksichtslos ihrem Individualismus huldigen, wo doch die Regierung sagt, dass das unsolidarisch ist. Die „Bösen“, das sind die, die Bedenken äußern, statt die Klappe zu halten.
Ganz im Anfang der Pandemie schrieb mir ein Kollege auf meine Einwände „ Sie faseln von Einschränkung von Grundrechten – in Italien sterben Menschen!“ Tja – wie konnte ich nur, dachte ich und ging in mich.
Tatsächlich habe ich in meinem durchaus langen Leben eine derartige Spaltung der Gesellschaft noch nicht erlebt.
Zu den Guten gehört die Leitung jenes Altersheims, die rigoros über viele Wochen jeden Kontakt von außen unterbunden hat, wo die BewohnerInnen in ihrem Zimmer bleiben mussten… Als dann eine meiner Patientinnen endlich wieder zu ihrem Verwandten durfte, stellte sie fest, dass der Fuß des Diabetikers schwarz war. Eine Unterschenkelamputation brachte nichts. Eine Woche später war er tot. Aber eben kein Corona-Toter.
Ganz anders im Altersheim am Nachbarort: Hier hatte man mit großen Mühen versucht, Kontakt, gemeinsames Essen zu ermöglichen. Es gab Corona-Erkrankungen und Menschen, die daran starben. Muss ich Ihnen beschreiben, was in der örtlichen Presse stand?
6. Der Zwang, sich zu rechtfertigen und wie man ihm entgeht
Längere Zeit habe ich meine Einwände gegen Corona-Maßnahmen so angefangen: „Ich bin weder Aluhutträgerin, noch Querdenkerin, noch neige ich zu Verschwörungstheorien, aber….“ Das war bei ganz vielen Menschen ein Rechtfertigungsreflex.
Bis ich mir überlegte: wer bin ich denn und wer sind die anderen, dass ich zunächst mal Abgrenzungsbekenntnisse leisten muss? Ich beschloss: Das werde ich erst dann machen, wenn mein Gegenüber sagt: „Ich bin kein Hypochonder, ich leide auch nicht an einer Angst- oder Zwangsneurose und ich gehöre nicht in die Kategorie „autoritärer Charakter“ oder „Blockwart“, aber… “
Es funktioniert.
7. Wie miteinander umgehen?
Ich fuhr in der Schweiz im Zug: Ein Plakat mit einem jungen Mädchen „Kaffee kann, Maske muss. Auf Reisen bitte nur kurze Trink- und Esspausen. Rücksichtsvoll zusammen unterwegs.“
Dann stieg ich in einen andern Zug, auch da ein Plakat: „Mitfahrt nur mit medizinischer Maske! Ab sofort müssen in allen Verkehrsmitten, Bahnhöfen und an Haltestellen verpflichtend medizinische Masken getragen werden!“ Da wusste ich: Ich bin wieder daheim!
Die Frage „welche Variante führt wohl eher zu einem Wir-Gefühl, zu solidarischem Handeln?“ Die Antwort ist glasklar.
Das gilt auch zum Umgang mit dem Impfen.
Eine Patientin berichtet fast weinend: Sie habe sich übers Impfen informiert und sich mindestens mal vorläufig dagegen entschieden. Die Folge: In ihrem Betrieb werde sie gemieden, ja regelrecht gemobbt, sie habe sich Sätze anhören müssen „wegen dir müssen Menschen sterben“.
Die Kolleginnen dieser Frau – da wette ich – haben sich deutlich weniger Gedanken übers Impfen gemacht als meine Patientin. Aber sie durften sich einig mit der Politik wissen. Mit Herrn Kretschmann, der sagt „Impfen ist erste Bürgerpflicht“ – das heißt, wer sich nicht impfen lässt, ist pflichtvergessen. Oder Altbundespräsident Gauck, der Impfverweigerer „Bekloppte“ nennt. So holt man die Leute ins Boot! Herzlich gelacht habe ich über das Wort zum Sonntag „Impfen ist Nächstenliebe“. Ich suche immer noch nach einem Menschen, der mir glaubhaft versichert, er habe sich zum Schutz der andern impfen lassen. Vielleicht meldet sich hier jemand?
Aber so ein Satz heißt eben auch: Wer sich nicht impfen lässt, verstößt gegen das Gebot der Nächstenliebe.
Wer als „pflichtvergessener Impfverweigerer“, als „Bekloppter“ oder sonst was in die Ecke gestellt wird, wie wird der reagieren? Mit einem „Hurra, vielen Dank, jetzt habe ich es begriffen!“
Oder so, wie ein Patient von mir: „Da werde ich bockig“.
Ja: man kann die Daumenschrauben bei ihm und andern so anziehen, dass sie sich zähneknirschend impfen lassen. Und der Preis dafür? Wer sich unterwerfen musste, der ist kaum geneigt, die Gesellschaft als „Wir“ zu begreifen. Das hat Langzeitfolgen. Long Covid sozusagen.
Liebe Politiker und Politikerinnen: Was wollt Ihr? Kooperation oder Unterwerfung?
Was ist die Alternative zu dieser „Schwarzen Pädagogik“?
Wieso erreicht ausgerechnet Bremen mit hohem Ausländeranteil und vielen sozial schlecht gestellten Menschen die höchste Impfquote – nämlich sensationelle 80%. Die Antwort ist einfach: Dort hat man sich die Mühe gemacht nachzudenken. Man hat die Menschen ernst genommen, versuchte zu verstehen, was es für sie für Hindernisse gibt. Zum Beispiel, dass Menschen aus niederen sozialen Schichten ein distanzierteres Verhältnis zum Staat haben. Kann man sich natürlich auch fragen: Warum wohl? Aber da hat man angesetzt, ist wörtlich und im übertragenen Sinn auf sie zugegangen. Überzeugung statt Diffamierung.
Und mit den 5% die sich wirklich nicht impfen lassen wollen – nun, damit können wir leben! 100 % braucht man höchstens in China!
8. „Hunderttausende sagen: einer allein kann ja doch nichts machen“
Dieses Plakat hing vor langer Zeit in meiner Praxis, bis es sich eine Patientin zum Abschied erbat – und ich hoffe, sie hat den Satz auch in ihrem Herzen.
Gerade in dem geschützten Raum der Praxis habe ich in den letzten eineinhalb Jahren immer wieder Sätze gehört „Wissen Sie, man traut es sich ja nicht mehr zu sagen, dass man nicht mit allem einverstanden ist“. Diese Menschen haben das Gefühl, sie seien ganz allein mit ihrer Kritik und ihren Bedenken. Vielleicht nicht ganz analytisch-abstinent versuche ich, deutlich zu machen: Sie sind mitnichten allein. Aber wie sollen Sie die Erfahrung machen ‚wir sind viele!‘, wenn Sie schweigen?
„Mut ist Angst plus ein Schritt“.
Mut nicht mit dem Ziel, den Spieß umzudrehen! Nicht mit dem Ziel, nun die neue Minorität zu diskriminieren. Das würde nur zu einem Tunnelblick mit umgekehrtem Vorzeichen führen. Sondern das Ziel ist das respektvolle Gespräch, mit der Überzeugung, dass jede und jeder etwas beitragen kann und wir alle nur dazulernen können. Pause
Weil das Motto der Veranstaltung „Aufklärung bewahren“ heißt, zitiere ich den „Wahlspruch der Aufklärung“ von Immanuel Kant aus Vor-Corona-Zeiten, nämlich von 1783:
„Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!… Faulheit und Feigheit sind die Ursachen, warum ein so großer Teil der Menschen… gerne zeitlebens unmündig bleibt und warum es anderen so leicht wird, sich zu deren Vormündern aufzuwerfen.“
Lassen Sie uns nach 238 Jahren diesen Wahlspruch der Aufklärung zu unserem Leitsatz machen: Bewahren wir die Aufklärung und führen wir sie mit Mut einen Schritt weiter!
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Übrigens Das Kant-Zitat gab es auch auf französisch zu sehen: