Dieser Artikel hat schon zwanzig Jahre auf dem Buckel, erstmals ist er 1998 erschienen. Aber anscheinend wurde er für so gut befunden, dass er vor zehn Jahren ohne bei mir nachzufragen und auch ohne Angabe der Autorin (oder genauer gesagt unter Angabe eines frei erfundenen Autors) auf der homepage einer online-Zeitung auftauchte und da stand er dann zehn Jahre, bis mich jemand drauf aufmerksam machte: das sei doch wohl mein Text..Ich fühlte mich nur mäßig geschmeichelt.
U.N.
Sind Christen doch die besseren Menschen?
Das Märchen von der Bedeutung christlicher Wertevermittlung(1)
Aus: MIZ 4/98 (Materialien und Informationen zur Zeit. Politisches Magazin für Konfessionslose und AtheistINNEN
Wenn eine Religion/Weltanschauung über viele Jahrhunderte in einer Gesellschaft nicht nur vorherrschend war, sondern eine ideologische Monopolstellung hatte, und es keine anderen Sozialisationsagenten gab, ist selbstverständlich, daß wertgeschätzte Eigenschaften mit dieser Religion/Weltanschauung verbunden werden. Wer jahraus jahrein nur die Erfahrung macht: Bei Krankentransporten kommt das Rote Kreuz, verknüpft beides zwangsläufig miteinander. Die Logik ist dann: Ohne Rotes Kreuz gäbe es keine Krankentransporte. Und selbst wenn das Monopol beseitigt ist, wird die Meinung verbreitet sein, das Rote Kreuz habe die Krankentransporte erfunden.
Ein aktuelles Beispiel, wie der Mechanismus selbst dann funktioniert, wenn Alternativen durchaus erlebbar sind, sind die Sätze: „Ohne die Kirchen bräche das Sozialsystem in der Bundesrepublik zusammen“. – „Ohne den Religionsunterricht durch die Kirchen bekommt die Jugend keine Werteerziehung“. Man bräuchte nur über die deutsche Grenze zu gehen, egal wohin, und würde sehen: Nichts bricht zusammen und die Jugend ist im Ausland auch nicht besser und schlechter als hier. Genauso selbstverständlich ist es, daß in einer Gesellschaft, in der die Kirchen über Jahrhunderte das Bildungsmonopol hatte, jede wissenschaftliche Überlieferung und jeder wissenschaftliche Fortschritt direkt oder indirekt kirchlichen Einrichtungen geschuldet ist. Dabei ist es nicht als moralische Großtat an der Bevölkerung zu preisen, daß Mönche und Nonnen Schulen einrichteten, christliche Fürstinnen Krankenhäuser stifteten und die alten Menschen recht und schlecht versorgt wurden. Das hat mit Christentum herzlich wenig zu tun, denn jede Gesellschaft hat und jede Gesellschaft braucht Schulen, Kranken- und Altenversorgung, um funktionsfähig zu sein. Der schlichte Eigennutz zwingt dazu. Man braucht Leute für die Verwaltung, Leute, die aus einem Bauplan schlau werden, Leute, die ein Rezept lesen können usw.. Ohne ein Mindestmaß an Krankenversorgung brechen Seuchen aus, ein völliges Fehlen an öffentlicher Fürsorge gefährdet die Loyalität. Daß es immer Idealisten gibt, die sich ganz besonders für das Wohl ihrer Mitmenschen einsetzen, ist ebenso klar, wie es selbstverständlich ist, daß dies in einer christlichen Gesellschaft christliche Idealisten sind, wie es in einer muslimischen Gesellschaft muslimische Idealisten sein werden und im Sozialismus sozialistische.
Von daher ist es auf der einen Seite banal, nach Jahrhunderten christlicher Monokultur zu behaupten: die Werte unserer pluralistischen Gesellschaft fußten allesamt auf dem Christentum. Worauf denn sonst?
Jede nachfolgende Kultur entwickelt sich aus der vorhergehenden. Keine Generation erfindet das Rad neu, sondern greift auf das zurück, was vor ihr war. Sei es in direkter Übernahme, sei es in modifizierter Übernahme, sei es in bewußter Absetzung. Aber das Bezogensein auf das Vorhergehende ist zwangsläufig.
Die banale Behauptung von der christlichen Prägung unserer Gesellschaft wird aber falsch, wenn damit ausgesagt werden soll, die nachchristliche Gesellschaft verdanke die Werte dem Christentum, hätte sie ihm quasi geraubt und stünde ohne diesen Raub wert-los da: Das Christentum hat nicht mehr und nicht weniger als die Funktion eines Stafettenläufers, der den Stab irgendwann übernommen hat und irgendwann weitergibt. Ob es diese Funktion gut oder schlecht erfüllt hat, sei dahingestellt. Aber unbestreitbar gab es Liebe, Verantwortungsbewußtsein, Solidarität, Ehrlichkeit und eine Erziehung zu diesen Eigenschaften vor dem Christentum und neben dem Christentum. Nächstenliebe etc. ist keine Erfindung des Christentums. Und selbst wenn: Irgendwann einmal wäre der Patentschutz abgelaufen. Man mag dem Erfinder des Aspirin das historische Verdienst dieser Großtat zugestehen, aber das heißt eben nicht, daß nur seine Firma Aspirin herstellen kann. Andere können es möglicherweise einfacher und billiger.
Vielleicht haben vor etlichen Jahrhunderten auch Griechen, Römer, Juden, Germanen gejammert, das Christentum hätte einfach ihre Werte annektiert, zahle keine Gema-Gebühren und unterlasse sogar den Quellennachweis!
Selbst wenn man konzedieren würde, daß das Christentum ein qualitativer Werte-Sprung vollbracht hätte, was zu sehen mir schwer fällt, so würde damit das Verdienst vorchristlicher Kulturen und die Abhängigkeit des Christentums von ihnen bestehen bleiben. Solange es sich aber lediglich darum handelt, daß seit den alten Römern, Griechen, Juden und Germanen durch das Christentum eine gewisse Weiter- und Höherentwicklung der Werte und der Menschenrechte stattgefunden hat, kann man nur sagen: Das wollen wir aber doch hoffen, daß sich in knapp zweitausend Jahren ein bißchen was getan hat.
Die Leute, die nicht müde werden zu betonen, daß die heutige Gesellschaft dem Christentum so viel verdanke, gleichen solchen Eltern, die ihren Nachkommen nichts anderes sagen können als den Satz: „Das alles verdankt ihr uns, ohne uns wärt ihr nichts!“ Solche Eltern sehen eigenes Positive und auch Positives bei den Nachkommen als höchstpersönliche Leistung an. Daß das Ei durchaus klüger sein kann als die Henne, daß Kinder es weiter bringen können als die Eltern, wird geleugnet. Auch anerkennen solche Eltern nicht, daß sie selbst in einer Generationenfolge stehen und viel von den „Vätern ererbt“ haben. Und umgekehrt wird den Nachkommen nicht zugestanden, daß sie Verdienste erwerben, die über das „Ererbte“ hinausgehen und – bei aller Berücksichtigung der Abhängigkeiten – eigene Verdienste sind. Wie im wirklichen Leben geht es auch hier um Abhängighalten durch Verpflichtung zu lebenslänglicher Dankbarkeit und Abhängigmachen durch Angstmacherei. Denn in der Behauptung: Mir verdankst du alles, steckt auch der Satz: „Ohne mich bist du nichts. Wenn du dich von mir emanzipierst, wirst du scheitern.“ Oder, wie der Kommentator einer evangelischen Denkschrift sagt: „Kurz gesagt, vertritt der Text die These, der soziale und demokratische Rechtsstaat brauche die christlichen Kirchen. Wozu der Staat die Kirchen brauchen soll, wird nicht in letzter Konsequenz ausgesprochen, aber die Argumentation legt nahe, daß es ums Ganze geht. Wenn der soziale und demokratische Rechtsstaat…. ohne den historischen Einfluß des Christentums nicht entstanden wäre, dann wird er, so läßt sich folgern, ohne das Christliche auch nicht fortbestehen.“(2)
Historische Abhängigkeit ist nicht zu verwechseln mit existentieller Abhängigkeit. Auch wenn es richtig ist, daß es mich ohne meine Eltern nicht gäbe, kann – und soll! – ich doch auch ohne sie gut leben!
Der Transzendenz-Schwindel
Nur was transzendent begründet sei, entziehe sich der Verfügbarkeit. Wahlweise jener der Menschen, des Staates, der Gesellschaft. Diese Behauptung ist eines der beliebtesten Totschlagargumente und taucht in immer neuen Variationen auf. Die Verfassung trage ihre Begründung nicht in sich, sondern müsse sie von außerhalb beziehen. Oder, wie es der Mann fürs Grobe, Kardinal Meisner, formuliert: „Wem Gott nicht mehr heilig ist, dem ist nichts mehr heilig… Hier wird doch zum Beispiel deutlich, wo die Verantwortlichen für die gegenwärtige Ausländerfeindlichkeit wirklich sitzen. Wer dagegen Gott kennt, kennt grundsätzlich keine Ausländer, weil wir alle vor Gott grundsätzlich Brüder und Schwestern sind.“(3)
Böse Worte, weil sie spalten: Hier schwarz, dort weiß, hier die Bösen, dort die Guten. Verlogene Worte, weil sie vorgaukeln: Glaubt an Gott, und alles wird gut. Das ist Demagogie: Einfache Antworten auf komplizierte Zusammenhänge. „Ich habe die Wahrheit zu verkünden, sei es nun gelegen oder ungelegen,“(4) sagte der Kardinal in paulinischer Nachfolge bei anderer Gelegenheit.
„Die Wahrheit!“ Wer sich in ihrem Besitz wähnt, hat weder Platz noch Zeit für Zweifel, für Differenzierung, nicht für andere und nicht für anderes. Auf protestantischer Seite gibt man sich meist etwas weniger grobklotzig, aber im Grunde handelt es sich um dieselbe undifferenzierte Schwarz-Weiß-Malerei inclusive Verunglimpfung Andersdenkender: „Wollte man Gott aus dem Grundgesetz eliminieren, dann unterwürfe man sich damit einem Trend, der ohnehin höchst bedenkliche Entwicklungen anzeigt: den Verlust an verpflichtenden Werten, die Dominanz eines banalen Materialismus, die Profanisierung des Weltbilds.“(5) Was Kirchenfunktionäre vorbeten, beten Politiker aller Couleur brav nach. Ohne Bezug zu Gott sei Moral schwer zu begründen, meint der Ex-OB von Stuttgart Rommel. Wenn in Politik oder Wirtschaft nur nach Vernunft gehandelt werde, entstehe eine Pseudomoral, die zur Abkehr von Werten führe.(6)
In dem Eid, den die Soldaten der Weimarer Republik zu leisten hatten, fehlte der Bezug auf Gott, wohingegen die Eidesformel im Nationalsozialismus begann: „Ich schwöre bei Gott diesen heiligen Eid, daß ich dem Führer des deutschen Reiches. …“(7) Die Berufung auf Gott hat bekanntermaßen keinerlei positive Auswirkungen gehabt. Nahezu die Hälfte der Kriege seien religiöse Kriege, ist zu lesen.(8) Das halte ich für übertrieben, weil häufig die Religion vorgeschoben wird, wenn es in Wirklichkeit um ganz andere Dinge geht. Aber immerhin ist unzweifelhaft, daß sich Religion hervorragend dafür eignet, von Kriegstreibern instrumentalisiert zu werden. Wenn dann Kardinal Meisner das Soldatentum würdigt: „Ein Volk könne nur beruhigt sein, wenn es wisse, daß die Waffen zur Verteidigung und Erhaltung des Friedens in Händen seien, ‚deren Köpfe und Herzen um ihre Verantwortung vor Gott und der Welt wissen’… In ‚betenden Händen‘ sei die Waffe vor Mißbrauch sicher,“(9) dann läßt sich daraus nur schließen, daß Kroaten, Serben und Moslems samt der jeweiligen scharfmacherischen religiösen Hierarchie nicht genügend gebetet haben. Es beeindruckt weder irischen Protestanten noch irischen Katholiken im Ernstfall, daß beide gleichermaßen „Du sollst nicht töten“ für ein göttliches Gebot halten.
Was die alltäglichen moralischen Fragen betrifft, so ist offenkundig, daß sich Gottgläubige von Nicht-Gottgläubigen nicht unterscheiden, auch nicht Fromme von Nicht-Frommen. Selbstverständlich gibt es Geistliche, die unter der Soutane Kokain schmuggeln(10), selbstverständlich gibt es sexuellen Mißbrauch durch Kirchengemeinderäte, selbstverständlich gibt es Steuerhinterziehung und Versicherungsbetrug durch Religionslehrer und schlimme Ausländerfeindlichkeit in frommen Kreisen. Mir erscheint das weder besonders erwähnenswert und auch nicht besonders skandalös, weil ich weiß, daß das zwei verschiedene Paar Stiefel sind: Glauben und Moral. Oder, um es etwas wissenschaftlicher auszudrücken, die Alltagserfahrung lehrt, daß die Korrelation zwischen Glauben und Verhalten gleich Null ist.
Ich sage bewußt: Die Alltagserfahrung. Denn bedauerlicherweise führen die, die den Wert transzendenter Verankerung wortreich und lautstark behaupten, keine Untersuchungen durch, um zu belegen, daß Gläubigkeit zu besserem moralischen Verhalten führt. Eine einzige, sehr umfangreiche Untersuchung des Wiener Instituts für Pastoraltheologie „Wie Europa lebt und glaubt“, bei der diese Fragen wenigstens am Rande eine Rolle spielen, belegt das Gegenteil. Im Kapitel „Was das Sozioreligiöse bewirkt“ findet sich eine Tabelle mit der zutreffenden Überschrift „Kraft(losigkeit) des Sozioreligiösen“(11). Ob jemand fromm ist oder nicht, christlich oder nicht, hat einen ganz geringen Einfluß auf sein Lebensgefühl, seine Einstellung zu Sinn und Tod, sein Frauenbild, seine Moral und seine politische Einstellung. Die höchste Korrelation zwischen religiöser Gebundenheit und Werteinstellungen ist geringer als die niedrigste Korrelation zwischen Nationalität und Werteinstellung.(12)
Transzendente Begründungen machen Transzendenz verfügbar
Der Bezug auf Gott gehöre in die Verfassung, weil das vor Staatswillkür schütze.(13) Ach Gott! wird Salman Rushdie da nur sagen!
In der Verfassung eines pluralistischen Staates wird „Gott“ vollends zum Fetisch herabgewürdigt, denn auf Nachfrage, um was für einen Gott es sich denn handle, heißt es: „Selbstverständlich ist damit nicht / nicht nur der christliche Gott gemeint!“ Jeder kann sich darunter seinen Gott vorstellen oder eben irgendwas irgendwie Transzendentes und wenn das gar nicht klappen will, dann soll es wenigstens Respekt vor den Leuten ausdrücken, die was mit der Transzendenz anfangen können. So argumentieren die Leute, die warnen, daß ohne Religion alles der Beliebigkeit anheimfällt!
Aber genau hier wird die Unlogik des Arguments sichtbar, durch Verankerung in der Transzendenz würden die Dinge menschlicher Verfügbarkeit entzogen. Umgekehrt wird ein Schuh draus: Die Berufung auf Transzendenz bedeutet, sich die Dinge verfügbar machen!
Das Argument, transzendente Begründung entzöge sich der menschlichen Verfügbarkeit, würde nur dann greifen, wenn Transzendenz tatsächlich in unserem Leben erfahrbar wäre. Aber dem ist nicht so: nirgends machen wir die Erfahrung, daß ein Gott direkt den Menschen sagt, was sie zu tun und zu lassen haben. Es gibt nur behauptete Transzendenz. Was aber nur behauptet werden kann, ist abhängig von dem, der behauptet. Die Unterwerfung unter „Gott“ – so subjektiv aufrichtig sie oft sein mag – ist immer die Unterwerfung unter den Gott, den man sich gemacht hat. Wie sonst könnten sich der Mörder Rabins genauso auf ihn ebenso berufen wie Mutter Teresa, die jüdischen Siedler ebenso wie palästinensische Selbstmordkommandos, die Taliban-Milizen ebenso wie die feministische Theologin, Militärbischöfe ebenso wie Friedensgruppen, serbische Bischöfe nicht minder wie polnische antisemitische Pfarrer.
Hat die transzendente Begründung des Gebotes „Du sollst nicht töten“ mehr Menschenleben gerettet als es der Ruf „Deus le vult“ – „Gott will es!“ gekostet hat, den Kreuzzüge aller Religionen auf ihren Lippen führten und führen?
„Gibt Gott die Gesetze, so ist ihre Auslegung Sache des Teufels“(14)
Sind die „göttlichen Anordnungen“ konkret, dann ist ihre Nicht-Transzendenz oft schon dadurch nachweisbar, daß sie von denselben Hierarchen, die ihre Transzendenz behaupteten, später für nichttranszendent erklärt werden: daß der Mann das Haupt der Frau sei(15), daß es für alle Menschen unbedingt zum Heile notwendig wäre, sich dem römischen Papst zu unterwerfen(16), daß Mädchen und Jungen in öffentlichen Bädern nicht zusammen baden, noch gemeinsamen Turnunterricht haben dürfen.(17) Je nachdem welcher christlichen Sektion man angehört, gibt es ein göttliches Gebot, das Empfängnisverhütung verbietet oder erlaubt, ist gelebte Homosexualität Sünde oder nicht, mal ist es Todsünde, als Geschiedene wieder zu heiraten, mal bekommt man dazu via Pfarrer den Segen Gottes.
Meist sind die angeblich transzendent begründeten Gebote aber pauschal. Dann sind aber alle „prinzipiell“ dafür. Keine Gruppe verzichtet darauf, Mord, Lüge, Diebstahl zu ächten – wofern die eigenen Leute davon betroffen sind. An diese Gebote hält man sich weltweit üblicherweise. Allerdings schützt weder eine immanente noch eine transzendente Begründung davor, daß es Ausnahmen gibt und zwar nicht nur aufgrund des Versagens einzelner, sondern wegen „offiziell sanktionierter“ Ausnahmen. Auch angeblich göttliche Gebote gelten nämlich keineswegs ausnahmslos und werden keineswegs besonders ernst genommen: Trotz der Eindeutigkeit des Gebots „Du sollst nicht töten“ weist der römische Katechismus von 1993 nach wie vor die Todesstrafe als legitim aus(18), und Krieg gilt unter bestimmten Voraussetzungen als legitim.(19) Der lutherische Satz „Ketzer verbrennen ist wider den Heiligen Geist“, wurde von der katholischen Kirche als Irrlehre gebrandmarkt, wie der Rat der EKD 1997 bemerkt – ein kleine Spitze darf man sich ja gegen die katholischen Brüder und Schwestern schon erlauben!(20)
Daß besagter Luther den Adel aufgefordert hat, Bauern totzuschlagen „wie man einen tollen Hund totschlagen muß“, verschweigen die EKD-Leute lieber, ebenso wie seine Aussage, die Fürsten könnten sich in dieser Zeit den Himmel leichter mit Blutvergießen verdienen als sonst mit Beten.(21) Schließlich wollen Luthers Nachfahren sich mit dieser Schrift ja als die besseren und besten Demokraten empfehlen.(22) Darauf sind sie allerdings auch erst gekommen, nachdem sie des landesherrliche Schutz verlustig wurden.
Aber es lohnt sich, die Argumentation Luthers näher anzuschauen, weil daran exemplarisch deutlich wird, daß transzendente Begründung eines Gebots eben genau nicht bedeutet: Das Gebot hat ausnahmslos zu gelten. Sondern: Die Begründungen der Ausnahmen müßten auch wieder transzendent sein. Luther rühmt sich als Verantwortlicher der Morde an den Bauern: „Ich, M. Luther hab im Aufruhr alle Bauern erschlagen, denn ich hab sie heißen totschlagen; alle ihr Blut ist auf meinem Hals. Aber ich weise es auf unseren Herrn und Gott, der hat mir das zu reden befohlen.“(23)
Tatsächlich bedient sich also nicht „Gott“ der Menschen, sondern die Menschen vereinnahmen „Gott“ für ihre Zwecke, „Gott“ kann sich nicht dagegen wehren, wenn ihm die Urheberschaft für alles Mögliche und Unmögliche zugesprochen wird. Wer jedoch subjektiv überzeugt ist, dies und das sei Gottes Wille, dem ist mit Vernunftgründen nicht beizukommen. Es ist reine Glückssache, ob er etwas Vernünftiges oder etwas Wahnsinniges für Gottes Wille hält.
Wie James Bond eine königliche Lizenz zum Töten hat, so haben diejenigen, die sich als DienerInnen Gottes fühlen, eine Lizenz, sich außerhalb der gängigen Moral zu stellen. Der normalen Moral steht die „höhere Moral“ entgegen. Wenn Erzbischof Dyba das Zentralkomitee der Deutschen Katholiken mit dem ZK der chinesischen Partei vergleicht, wenn Bischof Wetter Abtreibung mit Sexualmord gleichsetzt (von den geschmackvollen Gleichsetzung mit der Euthanasie im 3. Reich mal ganz abgesehen), wenn auf das Personal von Abtreibungskliniken geschossen wird, wenn ein badischer Pfarrer in volksverhetzender Weise gegen den Bau einer Moschee zu Felde zieht, wenn abgesprungene Priester, die oft jahrzehntelang für ihre Kirche gearbeitet haben, um ihre Rentenansprüche gebracht werden, wenn all dies geschieht, dann geschieht es eben nicht mit einem schlechten Gewissen: Eigentlich gehört sich das nicht…. Sondern es geschieht im Gegenteil mit einem besonders guten Gewissen: Im Dienste Ihrer Majestät darf man zum Wohle des United Kingdoms töten. Im Dienste Seiner Majestät darf man – selbstverständlich immer zum Wohle der Menschen – verleumden, Haß schüren, betrügen, ausmerzen.
Wer dagegen „nur“ eine immanente Begründung für sein Tun hat, ist deswegen keineswegs von vornherein der bessere Mensch. Fanatismus, ideologische Verbohrtheit, Egoismus, Selbsttäuschung ist kein Privileg der Religionen und der Religiösen. Aber immerhin ist die Möglichkeit des Selbstzweifels naheliegender als die Überlegung, Gott könne womöglich was Verkehrtes wollen. Die Erfahrung, daß man selbst fehlbar ist, ist zugänglicher als die Vorstellung eines fehlbaren Gottes. Gesellschaftlich gesehen halte ich das immanente Argument: „Wo kämen wir denn dahin, wenn das jeder täte!“ für wirksamer. D.h. das Argument, daß sozialunverträgliche Handlungen sich letztlich auch gegen den Störer der Ordnung richten, daß man die Einhaltung von Regeln nur dann fordern kann, wenn man sich selber dran hält.
Allerdings kann dieser Satz überhaupt nur bei denen funktionieren, die sich als „jeder“ begreifen. Wer sagt: „Ich bin aber nicht ‚jeder‘, sondern unterscheide mich von anderen, weil ich weiß, männlich, reich oder eben auch fromm bin, fühlt sich legitimiert, für sich eine Sondermoral in Anspruch zu nehmen. Diese Sondermoral mag teilweise durchaus rigider sein als die „normale Moral“, was aber häufig lediglich heißt, daß sie unmenschlich und unbarmherzig sich selbst gegenüber ist.
Gerade die Heiligengeschichten sind voll von Beispielen brutaler Selbstquälerei und der Unfähigkeit zur Freundlichkeit sich selbst gegenüber. Das wäre schlimm genug, schlimmer ist aber, daß die Selbstunterdrückung häufig ihr Ventil im Fanatismus und der Unterdrückung anderer sucht und findet. Niemand schnüffelt so gnadenlos im Sexualleben anderer, als die, die sich selbst Sexualität verbieten. Seine MitbürgerInnen pauschal als „Geschlechtstiere“(24) zu diffamieren, liegt für einen zölibatären Kardinal näher, als für einen Familienvater, der weiß, welchen Stellenwert Sexualität im Alltag hat.
Moral und höhere Moral
Der Anspruch, den christliche Funktionäre erheben, ist beachtlich. Stellvertretend sei der protestantische Bischof Huber von Berlin zitiert, den man mal für einen Liberalen gehalten hat: „Es gibt in der Tat viele Versuche, Moral und Ethik rein aus dem menschlichen Vermögen zu begründen, also den Menschen selbst in Fragen von Moral und Ethik zum Maß der Dinge zu machen. Das beruht auf einer heillosen Überschätzung des Menschen. In der Regel sind das Versuche, die sich in der Frage der Endlichkeit des Menschen, des Problems menschlicher Schuld, des Scheiterns gegenüber moralischen Ansprüchen in unauflösbare Widersprüche verwickeln. Gerade deswegen ist ja der Beitrag der christlichen Religion zu dieser Diskussion unverzichtbar. Sie sagt: Der Mensch verdankt sich nicht sich selbst, er bringt sich nicht selbst hervor. Die Maßstäbe seines Handelns sind nicht einfach ein eigenes Produkt. Es ist der prometheische Größenwahn des Menschen, gegen den sich die Kritik des christlichen Glaubens richtet.“(25) Ich denke, umgekehrt wird eher ein Schuh draus: Größenwahn nenne ich es, wenn Leute meinen, sie wüßten genau, was Gottes Wille ist und auftreten, als hätten sie die ewige Wahrheit gepachtet und die verdammte Pflicht, anderen Gottes Willen aufzuzwingen.
Die neue, alte Allianz von Kohl und Altar zur vorgeblichen Rettung der Werte und der Moral wird schnell brüchig, wenn die Kirchen zufällig mal den Politikern auf die Füße treten. Dann ist sogar ein Kohl zu erstaunlich richtiger Wahrnehmung fähig. Als 1995 kirchlich engagierte Menschen gegen die Abschiebung von Sudanesen protestierten, beschwor Kohl den ethischen Grundkonsens, „für den in Deutschland Staat und Kirche gleichermaßen verantwortlich seien“ – was Gott verhüten wolle! Aber Kohl warnte: Dieser – vorgebliche – Grundkonsens gerate in Gefahr, „wenn das Wort ‚Widerstand‘ mißbraucht werde, um eigene Überzeugungen rechtswidrig oder mit Gewalt gegen demokratisch legitimierte Entscheidungen durchzusetzen“. In den Kirchen gebe es immer wieder Stimmen – so der Kanzler -, die im Namen einer „angeblich höheren Moral“ für sich in Anspruch nähmen, über dem Gesetz zu stehen. Erschreckt habe ihn, „mit welcher aggressiven Hysterie“ einige Kirchenkreise auf die Abschiebung von sudanesischen Asylbewerbern reagiert hätten, monierte Kohl.(26)
Dies ist ein geradezu klassisches Beispiel dafür, wie die vorgeblich vor menschlicher Willkür schützende transzendente Begründung von Moral dem eigenen (parteipolitischen) Belieben unterworfen wird: In dem Moment, in dem ein moralischer Standpunkt nicht ins Konzept paßt, wird aus der „höheren Moral“ eine „angeblich höhere Moral“ und plötzlich sind die „demokratisch legitimierten Entscheidungen“ das Maß aller Dinge, und nichts und niemand berechtigt, sich gegen oder über das Gesetz zu stellen. Transzendente Begründung entzogen der menschlichen Verfügbarkeit? Daß ich nicht lache!
Immanente Begründungen der Moral haben ebenso wie ein säkulares Grundgesetz genau den Vorteil der Selbstbescheidung. Man erhebt gerade nicht den uneinlösbaren Anspruch auf Verkündigung ewiger Wahrheiten, sondern stellt pragmatische Spielregeln auf, an die sich alle unterschiedslos zu halten haben. In dieser Selbstbescheidung wird mehr für Toleranz und friedliches Zusammenleben, mehr für Menschenrechte getan, als in allen Verfassungen von Gottesstaaten, die ich kenne.
Wie tolerant(27) sähe unsere Gesellschaft ohne säkulares Grundgesetz aus? Historisch mußte und muß der Staat eher seine BürgerInnen vor kirchlicher Intoleranz schützen als umgekehrt. Toleranz, Freiheit und politische Gerechtigkeit seien „gegen die Kirche erstritten“ worden, „das Kreuz stand nicht für Toleranz, sondern für Intoleranz“, meinte Mahrenholz.(28) Mir widerstrebt es, die alten Klamotten: Stellung der Kirchen zur Demokratie, Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Gleichberechtigung usw. zum soundsovielten Male runterzubeten. Sondern ich beschränke mich auf die Zeit der Bundesrepublik: Wenn es nach den Kirchen gegangen wäre, wären nichteheliche Kinder nach wie vor nicht gleichgestellt, Homosexuelle müßten ins Gefängnis, die Männer hätten in der Ehe das Recht, ihre Erziehungsziele auch gegen den Willen der Frau durchzusetzen, AtheistInnen dürften nicht unterrichten, Religionskritik würde als Gotteslästerung verfolgt, man ließe junge Mädchen lieber schwanger werden, als daß man ihnen die Pille gäbe und Vergewaltigung in der Ehe gäbe es nicht – als Straftatbestand, und daß Eltern ihre Kinder prügeln dürfen stünde außer Frage. Gottgewollt wäre die getrennte Erziehung von katholischen und protestantischen Kindern und von Jungen und Mädchen. Und ob man Heinrich Heines Werke kaufen dürfte, darf auch bezweifelt werden. Immerhin stand er bis 1967 auf dem Index.(29)
Erlaubt ist, was gefällt! oder für jeden etwas: christliche Moral und Werte
Da setzt der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Lehmann seine Unterschrift unter eine ganzseitige Annonce der Initiative „pro Gentechnik“: „Wir appellieren an die politische Führung unseres Landes, an die Entscheidungsträger in Bund und Ländern, an alle verantwortungsbewußten Bürger: Bauen Sie die Hürden für die Gentechnik in Deutschland ab! Wir brauchen diese Basistechnologie, um unsere Verpflichtung für die Zukunft unserer Kinder zu erfüllen. Wir appellieren an Ihre Verantwortung – für unser Land.“(30) Da wird eine Arbeitsstelle der Evangelischen Kirche für Fragen der Bio- und Medizintechnologien zitiert: „Warum evangelische Christen die Bioethik-Deklaration zum ‚Schutz der menschlichen Erbinformationen‘ verwerfen“(31), wohingegen die Erklärung der EKD zur Bioethik es nicht für moralisch verwerflich hält, wenn Gene und lebende Organismen patentiert würden.(32) Da streitet das ZK der Deutschen Katholiken bezüglich der europäischen Bioethik-Konvention: „Unter Katholiken herrscht wieder Streit um die Bioethik-Konvention – Arbeitsgruppe empfahl Zustimmung zu einer Vereinbarung, die das Plenum des ZdK bereits abgelehnt hatte.“(33)
Da begründet schließlich jener amerikanische Forscher, der demnächst Menschen klonen will, dies ganz transzendent: „Gott hat den Menschen nach seinem Ebenbild erschaffen. Gott beabsichtigte, daß der Mensch wie er sein würde. Klonen und die Veränderung der Erbsubstanz ist der erste ernsthafte Schritt, wie Gott zu werden.“(34) Das heißt: Die Meinungen der Christen (von anderen Transzendenz-Gläubigen wollen wir gar nicht erst reden) sind genauso unterschiedlich, wie die von Angehörigen anderer Weltanschauungen. Nennen Sie mir eine konkrete moralische Frage, zu der Theologen und die kirchlichen Hierarchen nur eine Meinung haben. Es gibt keine. Selbstverständlich ist das dann aber Meinungsvielfalt, wohingegen dasselbe Phänomen diffamiert wird, wenn es anderswo – z.B. bei LER – auftaucht. Da ist es dann ein unverbindlicher „Gemischtwarenladen“, der zur Orientierungslosigkeit führt.
Daß Christen für das Gute, Wahre und Schöne sind, bestreitet niemand. Bloß: Das sind wir alle! Christen wie Nichtchristen! Gläubige wie Agnostiker. Da braucht es kein Christentum und keine Religion. Zur Beantwortung der konkreten Fragen unseres Lebens aber trägt das Christentum nichts bei. Ob ich meinem Kind den Umgang mit einer bestimmten Gruppe verbiete, weil es wichtig ist, klare Grenzen zu ziehen, oder ob ich das nicht tue, weil gerade das Verbotene attraktiv ist – fragen Sie dazu fünf Theologen, und Sie bekommen fünf verschiedene Antworten, ob „die richtige“ dabei ist, hängt von der Lebenserfahrung des Betreffenden ab und nicht von seiner Gläubigkeit.
Allgemeine Werte sind wertlos, Moral ist konkret
Schwierig wird es immer, wenn es konkret wird: Im Jugoslawienkrieg stand der serbische Klerus – die Bischöfe vorneweg – auf der Seite des Serbenführers Karadzic, wovon Teile des Weltkirchenrats sichtlich peinlich berührt waren. Aber laute Kritik gab es nicht: Man fürchtete den Auszug der orthodoxen Bruderkirchen.(35) Ich empöre mich nicht darüber, denn ich weiß, daß es bei der Moral meist nicht um gut und böse geht, ach wie wäre das einfach! Fast immer geht es um die viel kniffligere Frage von mehr oder weniger gut, mehr oder weniger schlecht. Es ist ja genau dieses Abwägen-Müssen, was die Entscheidung moralischen Fragen im konkreten Fall so schwierig macht.
Vor vielen Jahren, ich nahm an einer katholischen Ausbildung zur Eheberaterin teil, hatten wir einen Domkapitular zu Gast, einen von der sympathischeren Sorte, der sich mit wohlgesetzten Worten grundsätzlich, prinzipiell und überhaupt gegen Abtreibung aussprach. Das war noch längst vor der Liberalisierung des Abtreibungsrechts. Die Leiterin wurde konkret: „Was würden Sie machen, wenn in Ihre Beratungsstelle eine Frau käme, fest entschlossen abzutreiben und Sie wüßten: Wenn Sie ihr nicht die Adresse eines Arztes geben, dann geht sie zum Kurpfuscher?“ Der Domkapitular machte noch einen kurzen Fluchtversuch und meinte, sowas könne man nie ganz sicher wissen (womit er ja recht hat), aber sagte dann: „Ich würde es auf meine pastorale Kappe nehmen und ihr die Adresse geben.“
In der Folge nahmen wir immer unsere imaginäre pastorale Kappe zur Hand, wenn wir vor ähnlichen Problemen standen.
Heute würde ich diesen Domkapitular zum Beispiel fragen: Ich habe einen Sexualstraftäter in Behandlung genommen. Was ist – angesichts des bevorstehenden Prozesses – gut und was ist böse? Soll ich dazu schweigen, wenn er vor Gericht ein Verhalten plant, mit dem er sich reinreitet? Ist es böse, in der Therapie seine Aussagen so mit ihm durchzusprechen, daß er möglichst noch eine Bewährungsstrafe bekommt? Wie wäge ich die Hoffnung, daß er aufgrund meiner Solidarität (mit ihm, nicht mit seiner Tat) offen wird für eine wirkliche Veränderung, gegen die Möglichkeit, daß er – auch mit meinem Zutun – auf Bewährung freikommt und sich umgehend wieder an Kindern vergreift?
Oder, verehrter Herr Domkapitular, was meinen Sie zu folgendem Problem: Eine Frau mit vier jüngeren Kindern wird von ihrer schwerst pflegebedürftigen Mutter gebeten, sie nicht ins Heim zu geben, sondern selbst zu pflegen. Beides – Kindererziehung und Pflege – ist nicht zu leisten, ohne daß die junge Frau daran kaputtgeht.
Oder wie soll sich die Frau entscheiden, die erneut ungewollt schwanger geworden ist, kurz nachdem sie eine psychotische Episode samt Suizidversuch als Folge einer Wochenbettdepression überstanden hat. Was heißt in diesem Fall, sich „für das Leben“ entscheiden, wenn zuhause drei Kinder sind – das jüngste ein halbes Jahr, die eine halbwegs stabile Mutter brauchen? Was, wenn sie wieder psychotisch wird, oder sich gar umbringt? Aber auch umgekehrt: Was, wenn diese stark religiös geprägte Frau aufgrund einer Abtreibung so sehr von Schuldgefühlen bedrängt wird, daß sie aus diesem Grund erneut erkrankt?
Man mag einwenden, daß diese Beispiele zwar in meiner Praxis alltäglich sein mögen, aber das „wirkliche Leben“ weniger kompliziert sei. Sicher gibt es Tausende relativ banaler moralischer Probleme, deren Lösung relativ eindeutig ist. Aber das ist dann eben nicht nur für religiöse Menschen klar, sondern für alle. Daß ich nicht mit 80 km/h durch die Stadt fahre, braucht nicht biblisch begründet zu werden, und die Raser unterscheiden sich von den anderen nicht durch ihre Nicht-Religiosität, sondern erfahrungsgemäß durch Geschlecht, Alter und Alkoholkonsum!
Im Ernstfall alleingelassen!
Als in den 50er Jahren die Frage der Erlaubtheit des Atomkrieges theologisch angegangen wurde, referierte ein Autor in der Herder-Korrespondenz die vielen einerseits-andererseits, bis hin zu der Überlegung, ob ein atomarer Erstschlag nicht unter Umständen auch notwendige Selbstverteidigung sein könne. Die Frage kann man durchaus stellen. Nur, wenn nicht mal darauf eine verbindliche „christliche“ Antwort zu geben ist, was soll das Ganze dann? Wenn dann derselbe Autor sich auch noch in die Brust wirft und die Kirche für ihre Freiheitlichkeit preist, die dem Einzelnen die Entscheidung überläßt, dann ist daran nur bewundernswert, wie eine Bankrotterklärung kaschiert wird. 1954/55 also hieß es: „Die Kirche hat stets und rücksichtslos die Grundsätze des Glaubens und der Sittlichkeit gelehrt und Verstöße gegen diese Grundsätze verurteilt. Sie ergreift aber kraft ihres an die ganze Menschheit gerichteten und andererseits auf das Wächteramt über Glaube und Sitte beschränkten Auftrages nie eine faktische, und das heißt in diesem Zusammenhang: eine politische Partei. Sie duldet lieber, daß ihre Kinder im Raum der politischen Tatsachen verschiedener Meinung sind und auf verschiedenen Fronten kämpfen. So beweist sie, daß sie die Freiheit des Gewissens höher schätzt als den Gleichschritt aller Katholiken.“(36)
Sich auf ein allgemeines „Kindlein, liebet einander!“ zu beschränken, und im konkreten Fall den Einzelnen sich selber zu überlassen: Das kann man billiger haben.
Für moralische Fehlentscheidungen sind die Einzelnen zuständig, während sich die Hierarchie ans Revers heftet, sie sei immer fürs gute Prinzip eingetreten. Das ist wie im Kapitalismus: Die Arbeitnehmer tragen das Risiko, der Arbeitgeber die gutdotierte und für ihn folgenlose „Verantwortung“.
Wer sich wie die Kirchen, insonderheit die katholische aufspielt, als hätten sie die richtige Antwort parat und als wäre alles ganz einfach, wenn man nur auf Gott höre, verhält sich unmoralisch. Unmoralisch, weil es betrügerisch ist. Wer in einer komplizierten Welt – und die Welt war immer kompliziert – eine einfache Welt vorgaukelt, handelt verantwortungslos.
Wir sind allesamt ungefähr gleich klug oder dumm. Wir alle verfügen nicht über die Fähigkeit, in die Zukunft zu sehen. Das wäre aber die Voraussetzung, richtig zu entscheiden, weil sich Entscheidung immer auf Zukünftiges beziehen. Wir haben alle nur eine beschränkte Erfahrung, beschränkte Handlungsmöglichkeiten und beschränkte Fantasie. Wer das für sich anerkennt und für den anderen genauso gelten läßt, ist ein akzeptabler Gesprächspartner. Nur unter dieser Voraussetzung ist Dialog, Ratschlag, Mahnung wertvoll. Wer aber prinzipiell behauptet, etwas Besseres zu sein oder was Besseres zu haben, ist im besten Fall einer, der sich selbst betrügt, wahrscheinlicher aber ein Scharlatan und ein Rattenfänger.
Wem nutzt der Religionsunterricht in den Schulen?
Positive Wirkungen des Religionsunterrichts sind unbestreitbar – für die Kirchen! „Als einzigartige Möglichkeit für die Kirche, kontinuierlich mit der nachwachsenden Generation in Begegnung zu treten, bleibt der RU unersetzbar. Für den weitaus größten Teil der Kinder und Jugendlichen ist eine religiöse Erziehung im Elternhaus nicht mehr gewährleistet…
Noch begrenzter ist die Zahl derjenigen, die in der Bindung an eine kirchliche Gemeinde aufwachsen und hierbei zu ihrer christlichen Identität finden. Für sie alle bildet der RU die einzige Brücke zur Kirche.“(37)
Aber wo bleiben die positiven Wirkungen für die Menschen und die Gesellschaft? Ist das Leben der Franzosen – seit Generationen ohne schulischen Religionsunterricht – sinnentleerter als das der Deutschen? Sind Ostdeutsche unmoralischer als Westdeutsche? Klauen Kinder mit Religionsunterricht weniger als solche mit Ethikunterricht? Verhalten sich Münchner SchülerInnen (meist mit Religionsunterricht) sozialer als die aus Bremen (ohne Religionsunterricht)?
Gerade in Zeiten leerer Kassen ist Effizienzkontrolle gefragt, sollte man meinen. daß die Kirchen daran nicht sonderlich interessiert sind, kann man ja noch verstehen. Aber von staatlicher Seite sieht es genauso aus. Wenn jede zehnte Stunde regulären Unterrichts ausfällt, genügt aber nicht der hoffnungsvolle Glaube, 9 – 13 Jahre Religionsunterricht werden schon nicht für die Katz sein! Die staatliche Zurückhaltung hat weniger mit der grundgesetzlichen Garantie des schulischen Religionsunterrichts zu tun. Dort sind weder zwei bis drei Wochenstunden festgeschrieben, noch daß dieser Unterricht vormittags stattfinden muß. Vor allem aber ist Religionsunterricht in bekenntnisfreien Schulen kein „ordentliches Lehrfach“.
Daß fast 100% unserer Schulen christliche Gemeinschaftsschulen sein sollen, ist angesichts der Entwicklung der Kirchenmitgliederzahlen überhaupt nicht einzusehen. Statt den Wert des Religionsunterrichts für die Werteerziehung zu überprüfen, wird er gebetsmühlenhaft behauptet. Zum Beispiel von unserem Kanzler: „Der Religionsunterricht ist schon mal aus der Schule verbannt worden, die Folgen kennen wir alle,“(38) meint er düster in Anspielung auf die angebliche Abschaffung des Religionsunterrichts durch die Nationalsozialisten.(39) Wohin hat denn nun die angebliche Abschaffung des Religionsunterrichts geführt? Zur Machtergreifung der Nazis? Das geht wohl schlecht, denn die mußten ja erstmal an der Macht sein, um den Religionsunterricht abschaffen zu können. Die NSDAP wurde gewählt von Menschen, die fast alle Religionsunterricht gehabt haben, wie auch die braunen Machthaber selbst. Das ist wirklich kein sehr überzeugender Beweis für gelungene Werteerziehung durch Religionsunterricht!
Um die gesellschaftliche Akzeptanz des Religionsunterricht ist es schlimm bestellt: Er läßt Schülerinnen und Schüler gleichgültig, religiöse Inhalte müssen getarnt werden, will man nicht ein allgemeines Abschalten provozieren. Von einem Teil der ReligionslehrerInnen wird das dann als besonders progressiv dargestellt, Marke „Sie haben noch völlig veraltete Vorstellungen vom Religionsunterricht“. Kürzlich meinte ein Mitdiskutant bei einer Podiumsdiskussion, er vermeide in seinem Unterricht das Wort Gott, und bildete sich darauf noch was ein. Wer so aus der Not eine Tugend macht, trifft sicher die Erwartungen der großen Mehrheit der Eltern. Die meisten wollen für ihre Kinder im Religionsunterricht eine Vermittlung sozialer Tugenden und sonst nichts. Dies konnten die Bischöfe 1989 in einer von ihnen selbst in Auftrag gegebenen Studie lesen.(40) Weil der Religionsunterricht also etwas schwach auf der Brust ist – zumal nach LER in Brandenburg, von wo Ansteckung droht -, holte man sich vergangenen Herbst Rat bei den Werbefachleuten und startete eine großangelegte Kampagne mit 4 Millionen Broschüren und einer Promotionveranstaltung, die in diesem Fall Symposion heißt. Das Produkt Religionsunterricht vermittelt laut Bischof Lehmann „eine umfassende Hilfe zur wachsenden Menschwerdung“, wie Bischof Lehmann am 7.10. vor Repräsentanten des Staates (nämlich unter anderem: die Präsidentin des Deutschen Bundestages, zahlreiche Bundes- und Landesminister, parlamentarische Geschäftsführer) ausführte.(41)
Das wirft nicht nur die Frage auf, ob jemand ohne Religionsunterricht hinsichtlich der Menschwerdung zwergwüchsig bleibt. Sondern man fragt sich auch, wie ein Fach, das als „Lernort des Glaubens“(42) apostrophiert wird, ganz gewiß keine Glaubensvermittlung für die inzwischen umworbenen teilnehmenden Nichtgläubige sein will.(43) Vorwurfsvoll titelt Heike Schmoll in der FAZ „Die Meinung, Religionsunterricht sei eine Missionsveranstaltung der Kirchen, ist unausrottbar“(44) Bevor ich mich ob meiner obsoleten Vorstellungen zu schämen beginne, lese ich gerade noch rechtzeitig das Bischofswort: „Die Kirche bleibt zur Verwirklichung ihres missionarischen Auftrags mehr denn je auf ihn und auf die Lehrer, die ihn erteilen, angewiesen.“(45) Ja, wie denn nun?
Der Religionsunterricht sei „Religionsunterricht einer konkreten Glaubensgemeinschaft“ meint der Bischof, aber müsse „von Grund auf ökumenisch offen“ sein. Da möchte ich gern Mäuschen spielen, wenn die Herren Bischöfe und Oberkirchenräte sich über dieses „von Grund auf“ verständigen wollen! Steckt doch nicht nur der Teufel im Detail, sondern der von Herrn Lehmann beklagte „engstirnige Konfessionalismus“ in den eigenen Reihen. Dort heißt er dann „Treue zur Heilsbotschaft Christi“. Die einen wollen einen Religionsunterricht, der zeitgemäß ist, andere warnen vor einer „entsprechende(n) Religionspädagogik“, weil deren Folge die „Entfernung von der Kirche“ sei.(46) „Dabei sein ist alles!“, ist die Devise. Wie die hohen Herren den Spagat zwischen konfessionell und nicht konfessionell, Glauben vermittelnd, aber nicht missionierend, leisten wollen, wie sie Dienstleistungsunternehmen für den Staat(47) sein wollen, aber auf keinen Fall „als geistlicher Büttel des Staates die Schüler zu bürgerlichem Wohlverhalten zu erziehen“ möchten(48), all das braucht uns nur aus einem Grund zu interessieren: Wie kommt eine Institution, in der es ungefähr doppelt so viele Meinungen zum Religionsunterricht gibt wie entsprechende Gremien, dazu, dieses Fach als eines anzupreisen, das den Heranwachsenden Orientierung und festen Halt in der verwirrenden pluralistischen Gesellschaft gibt? Was fällt den Anbietern dieses Fleckerlteppichs von Unterrichtskonzepten eigentlich ein, auf die sogenannte „Patchwork-Religiosität“(49) religionskundlicher Fächer herunterzusehen?
Und weiter: Der „fundamentale Wertekonsens“ sei „allein“ durch die Religion zu garantieren(50), weshalb der Religionsunterricht so wichtig sei. Das sagen die Leute, die sich noch nicht mal einigen können, wie ihr Gott richtig und gültig angebetet wird, ob es zur rechten Kirchenverfassung einen Papst braucht oder nicht, ob die heiligen Riten der einen auch von den anderen anerkannt werden können. So jemand empfiehlt sich nicht eben durch Konsensfähigkeit. Und weiter: Im Religionsunterricht geschehe Erziehung zu den Werten unserer demokratischen Verfassung. Und durch wen geschieht sie? Durch Leute, bei denen via Laieninstruktion des Vatikans gerade die wahrhaft zukunftsweisenden Fragen geklärt worden sind, ob Laien beim Gottesdienst im Altarraum stehen oder den Pfarrgemeinderat leiten dürfen (beide Male: nein). Das ist putzig! Im Binnenbereich die Priesterherrschaft zementieren und nach außen als Garant demokratischer Werte auftreten! Wenn gegen genannte Instruktion des Vatikans selbst Bischöfe ihren Widerstand anmelden(51) und Theologieprofessoren nachsichtig meinen: „Die Wirklichkeit ist dem Lehramt längst davongelaufen“(52), dann wird man fragen dürfen und müssen, ob die Mitglieder der genannten Institution sich vielleicht zunächst besser um den Konsens in den eigenen Reihen kümmern sollten, bevor sie sich an größere Aufgaben heranwagen.
Wer sich, wie das jüngste Trauerspiel der Deutschen Bischofskonferenz leider nur zu eindrucksvoll belegt, vom römischen Monarchen in der Frage der §218-Beratungsstellen derart bevormunden läßt – wo sind sie da, die Leute, die die Wahrheit sagen, sei es gelegen oder ungelegen, wo sind die Mutigen, die dem Petrus ins Angesicht widerstehen? – der empfiehlt sich nicht gerade als geeignet als Erzieher der Jugend zur Zivilcourage! Wem dann als Reaktion auf his master’s voice nur einfällt, den Druck weiterzugeben und ein neues Abtreibungsrecht zu fordern(53), der weckt sicher nicht nur bei mir Zweifel: Ist das wirklich eine gute Adresse, um Kinder und Jugendliche Einführungsunterricht in den demokratischen Spielregeln zu geben?
Der Totalitarismus drohe, wenn der Staat die Kirche nicht an der schulischen Erziehung beteilige(54). Ist es schlimm, wenn ich gestehe, daß mir diese Behauptung keinen kalten Schauder über den Rücken jagt?
Aber fast wäre ich doch noch überzeugt worden, daß Religionsunterricht in die Schule gehört! Durch die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages Antje Vollmer nämlich, promovierte Theologin und Mitglied der Synode der EKD. Sie meinte: „Hinter dem Religionsunterricht steckt doch noch ein viel tieferer Sinn. Es hat mal eine Zeit gegeben, da wurde dieser Kontinent von heftigen Glaubenskriegen erschüttert. Das waren Kämpfe von Fundamentalisten in beiden Lagern. In jeder Religion steckt solch ein gefährliches fundamentalistisches Potential. Indem der Staat an seinen Schulen Platz für Religionsunterricht schafft und die Religionslehrer an seinen Universitäten ausbildet, bringt er das gefährliche Potential der Religion unter Kontrolle. Er verpflichtet ihre Lehrer auf ein bestimmtes Maß an Zivilisation und Dialog.“(55)
Ja, so gesehen hat sie recht. Aber vielleicht wäre es doch preiswerter, auf Dauer einen staatlichen Nachhilfeunterricht in bürgerlichen Tugenden für religiöse Funktionäre anzubieten, als daß man die Schulkinder flächendeckend zum Religionsunterricht verdonnert, bloß damit die Religionslehrer der Gefahr des Fundamentalismus entgehen!
Ursula Neumann
Anmerkungen:
1 Gekürzter Text eines Vortrags im Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung des Bundes für Geistesfreiheit (München), der Humanistischen Union (OV München und Bildungswerk Bayern), und des Fachverbandes Ethik (LV Bayern), am Freitag, 27. Februar 1998, in der Seidlvilla, München-Schwabing.
2 Klaus Koch, Geht dieser Staat ohne die Christen unter? Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland hat eine Denkschrift über ‚Christentum und politische Kultur‘ herausgegeben. Sie ist eine Beschwörung der Vergangenheit. In: Berliner Zeitung vom 3.11.97
3 Joachim Kardinal Meisner in der Silvesterpredigt 1992/93, in: Süddeutsche Zeitung vom 2./3.1.1993 S. 6
4 Kardinal Meisner in: Mit der Seele auf der Zunge, Die Zeit Nr. 28 vom 3.7.92
5 ESt, Ein kritisches Vermächtnis – Gott im Grundgesetz, in: Evangelische Kommentare Bd. 226/1993 Nr. 5, S. 255
6 Zitiert nach Frankfurter Rundschau vom 23.1.1996
7 Zitiert nach Anton Egner et al., Geschichte S II. Deutschland im Umbruch, Schrödel Schulbuchverlag, S. 31
8 „Von den weltweit jährlich rund 50 Kriegen haben nahezu die Hälfte einen religiösen Hintergrund. Dies ergibt sich aus einer Übersicht zur Weltentwicklung. Daraus geht hervor, daß die meisten religiös motivierten Konflikte in den 90er Jahren entstanden. Am längsten dauern die religiös motivierten Konflikte in Nahost und Nordirland. Auffällig in Religionskriegen sei die Tendenz, sich zum existentiellen Konflikt auszuweiten. ‚Der Sinn des Lebens scheint bedroht, und so werden religiös motivierte Kriege oft verbissener, unnachgiebiger und brutaler ausgefochten als andere,‘ heißt es in der Studie. „Brutale Religionskriege“ in: Schwäbisches Tagblatt vom 30.11.93
9 „Kölner Kardinal Meisner würdigt Soldatentum, Frankfurter Rundschau vom 31.1.1996
10 „Kokain unter der Soutane, in: Badische Zeitung vom 4.2.98
11 Paul M. Zulehner/Hermann Denz, „Wie Europa lebt und glaubt – Europäische Wertestudie Düsseldorf 2“. 1994, 198
12 Die Korrelation beträgt in zwei Bereichen 0.15 (Sinn und Tod / Moralitäten) in den anderen aufgezählten acht liegt sie deutlich darunter. Zum Vergleich: Die Korrelation zwischen der Nationalität einer Person und ihrer Gläubigkeit, ihren Sinnvorstellungen, ihrer Moralität und ihrer politischen Einstellung betragen im Höchstfall 0.7 und gehen bei keinem Wert unter 0.2. Für Korrelationen gilt: über 0.0 – 0.19: schwache Korrelation, zwischen 0.2 und 0.4: mittlere Korrelation, alles darüber (bis zur völligen Korrelation 1.0) gilt als starke/sehr starke Korrelation.
13 So z.B. der CDU-Fraktionsvorsitzender im Thüringischen Landtag, Jörg Schwäblein, in Frankfurter Rundschau vom 28.12.93, (Bezug Leserbrief vom 18.1.94), vgl. auch den jüngsten Vorstoß des Bundeskanzlers für einen Bezug auf Gott in einer künftigen Europäischen Verfassung, womit er eine Forderung des damaligen Vorsitzenden der CSU-Gruppe im Europäischen Parlament, Ingo Friedrich, von 1994 aufnimmt: „Alle von Menschen verursachten Katastrophen in der Weltgeschichte und in der Gegenwart, vom Holocaust bis zum Völkermord, haben ihre Ursache in der Abkehr der Völker von Gott. Angesichts des Vordringens des Atheismus in Europa und wegen der christlichen Wurzeln Europas, gehört der Hinweis auf die Verantwortung der Völker vor Gott und den Menschen auch in eine zukünftige Europäische Verfassung. Die in und für Europa geltenden humanen Werte sind zunächst christliche Werte, für die der endgültige Bezugspunkt im Transparenten (sic!) und damit in Gott zu sehen ist.“ Quelle: http://www.idea.de/ (idea spektrum 6/94, S. 16)
14 Michael Kohler in der Filmbesprechung „Im Auftrag des Teufels“, Frankfurter Rundschau vom 20.1.98
15 „Wer grundsätzlich die Verantwortung des Mannes und Vaters als Haupt der Ehefrau und der Familie leugnet, stellt sich in Gegensatz zum Evangelium und zur Lehre der Kirche… Die Lehre selbst aber, um die es hier geht, ist in Gottes Wort klar bezeugt. Wer sie leugnet, verkennt und verkehrt die hohe Berufung und Verantwortung des Mannes und Vaters, dem zum Dienst der Liebe an Frau und Kindern eine Leitungsgewalt übertragen ist… Das gilt für jede Ehe…“ Hirtenwort der deutschen Erzbischöfe und Bischöfe zur Neuordnung des Ehe- und Familienrechtes vom 30.1.1953, in: Kirchlicher Amtsanzeiger für die Diözese Trier, 97, 1953, 41-44, 42, 43,
16 Bonifaz VIII, Bulle ‚Unam Sanctam‘ von 1302, Vgl. Josef Neuner und Heinrich Roos, Der Glaube der Kirche in den Urkunden der Lehrverkündigung“, Regensburg 1958 S. 219f., 220 „Dem römischen Papst sich zu unterwerfen ist für alle Menschen unbedingt zum Heile notwendig. Das erklären, behaupten, bestimmen und verkünden Wir.“
17 Leitsätze der Deutschen Bischöfe zu modernen Sittlichkeitsfragen von 1925, Vgl. Georg Denzler, „Die verbotene Lust, 2000 Jahre christliche Sexualmoral“, München 1988, S. 229 und 234
18 Katechismus der Katholischen Kirche , München 1993, S. 576:
19 Katechismus der Katholischen Kirche, a.a.O., 586 -588
20 Erklärung des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, a.a.O., S. 8
21 G. Franz, Bauernkrieg, in: Hans v. Campenhausen et al.(Hg.), Die Religion in Geschichte und Gegenwart, Handwörterbuch für Theologie und Religionswissenschaft, Bd. 1 31957, S. 927-930, 929
22 „Auf diesem Hintergrund hat 1985 die Denkschrift ‚Evangelische Kirche und freiheitliche Demokratie‘ die Demokratie zwar nicht zur ‚christlichen Staatsform‘ erklärt, aber die ‚Nähe‘ der Grundorientierung des demokratischen Staats ‚zum christlichen Menschenbild‘ und eine theologisch und ethisch begründete positive Beziehung von Christen zum demokratischen Staat aufgezeigt“, Erklärung des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, a.a.O., S. 9
23 Zitiert nach Karlheinz Deschner, Opus Diaboli, Reinbek 1987, 128
24 Zitiert nach: „Natalies Familie greift Münchner Kardinal an“, in Süddeutsche Zeitung vom 5.1.98, ebenso in Frankfurter Rundschau vom 16.2.98
25 Bischof Huber, „Erzogen zur Gottlosigkeit“, in: Wochenpost vom 2.11.1995
26 Schwäbisches Tagblatt 4.11.95 „Grundkonsens mit dem Staat nicht gefährden“
27 „Kaum ein Vorwurf ist gegen die christlichen Kirchen so oft und so leidenschaftlich erhoben worden, wie der Vorwurf der Intoleranz. Dieser Vorwurf ist deswegen besonders gravierend, weil Toleranz mit dem Wesen des christlichen Glaubens unlöslich verbunden ist. Die Geschichte der christlichen Kirchen ist freilich auch durch Exzesse von Intoleranz gezeichnet. Oft waren sie Folgen eines fanatisierenden Mißverständnisses der Wahrheit des Evangeliums“. (Erklärung des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, a.a.O., S. 8) Dies ist der klassische Argumentationsstil. Obersatz: Das Christentum steht für Toleranz, Nächstenliebe, Gerechtigkeit, Solidarität…. Untersatz 1: In der Wirklichkeit hat es damit gehapert. Untersatz 2: Schuld daran waren Mißverständnisse. Untersatz 3: Aber im Prinzip!
28 Bericht der Süddeutschen Zeitung vom 20.3.96 über die Tutzinger Tagung zum Verhältnis von Kirche und Staat
29 Vgl. Frankfurter Rundschau vom 31.10.97
30 Frankfurter Rundschau vom 1.2.93
31 Frankfurter Rundschau vom 26.9.95
32 „‚Gentechnisch veränderte Nahrungsmittel ethisch vertretbar‘ – Zustimmung zur ‚Novel-Food‘-Verordnung der Europäischen Union/Erklärung der EKD zu Bioethik. in FAZ 12.11.97
33 Frankfurter Rundschau vom 3.5.97
34 Frankfurter Rundschau vom 8.1.98
35 Frankfurter Rundschau vom 15.9.95
36 Rüstung und Gewissen im Atomzeitalter (ohne Autor), Herder Korrespondenz IX 54/44 509-516, 514
37 Erzbischof Johannes J. Degenhardt, Entwicklungsperspektiven des Religionsunterrichts für die 90er Jahre, in: Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hg.), Religionsunterricht – Aktuelle Situation und Entwicklungsperspektiven, Bonn 1989, 7-21, 14
38 „Wachsam schaut der Kanzler auf Brandenburg“, Tagesspiegel vom 22.10.96
39 Tatsächlich fand während des Dritten Reiches fast überall bis zum Kriegsende Religionsunterricht statt. Das 1946 vom katholischen Prälaten Neuhäusler verfaßte, mit kirchlichem Imprimatur und einem Vorwort Kardinal Faulhabers bedachte Buch ‚Kreuz und Hakenkreuz‘ nimmt es mit der Wahrheit noch genauer. Dort ist lediglich von „Fesseln für den Religionsunterricht“ die Rede. Der Verfasser zählt folgende Dinge auf: In Süddeutschland habe es ab 1935/36 wöchentlich nur noch drei statt vier (!) Stunden Religionsunterricht gegeben, der Unterricht wäre „mancherorts auf recht ungelegene Stunden verlegt worden“ (nämlich auf die erste und letzte Vormittagsstunde), und im Zeugnis habe Religion an letzter, statt an erster Stelle gestanden. Daß es teilweise zur Bespitzelung von Religionslehrern kam, ist schlimm, aber ein Schicksal, das diese mit anderen Unterrichtenden geteilt haben. Immerhin setzt diese Bespitzelung voraus, daß der Unterricht stattfand. Vgl. Johann Neuhäusler, Kreuz und Hakenkreuz, München 1946. S. 105 -110
40 Der der katholischen Kirche nahestehende Religionssoziologe Franz-Xaver Kaufmann schreibt darin: „Die Erwartungen der Eltern an den Religionsunterricht orientieren sich… nicht an kirchlichen, sondern an Kriterien der sozialen Nützlichkeit. … Das in jüngster Zeit wieder aufgeflammte Interesse an ‚Religion‘ geht weitgehend am christlichen Glauben vorbei.“ (Franz-Xaver Kaufmann, Die heutige Tradierungskrise und der Religionsunterricht, in: Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hg.), Religionsunterricht – aktuelle Situation und Entwicklungsperspektiven, a.a.O. S. 60 – 73, S. 62f.) Der Trend hat sich fortgesetzt. Lediglich etwa 20% der Eltern in Westdeutschland und ca. 13% der Eltern im Gebiet der ehemaligen DDR wollen ihre Kinder religiös erziehen. (Zulehner/Denz, a.a.O., S. 24). Bei einer 1992 von der deutschen Bischofskonferenz veranlaßten Repräsentativbefragung katholischer Frauen, rangierte unter einundzwanzig Vorschlägen das Erziehungsziel „fester Glauben, feste religiöse Bindung“ weit abgeschlagen an zweitletzter Stelle. (Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hg.), Frauen und Kirche. Eine Repräsentativbefragung von Katholikinnen im Auftrage des Sekretariats der Deutschen Bischofskonferenz durchgeführt vom Institut für Demoskopie Allensbach, Bonn 1993, S. 52)
41 Pressestelle der Deutschen Bischofskonferenz, PRDT97-029, Symposion: „Religion in der Schule – Orientierung in der offenen Gesellschaft“, S. 2
42 Bischof Lehmann, in „Religion in der Schule – Orientierung in der offenen Gesellschaft“, a.a.O., S. 4; Erzbischof Johannes Joachim Degenhardt, in: Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (HG.), Religionsunterricht – aktuelle Situation und Entwicklungsperspektiven, a.a.O. S. 21
43 „Dem Wunsch konfessionsloser Eltern und Kinder mit dem Anliegen, im Religionsunterricht das Christentum mit seinen Werten und seinen Kulturen kennenzulernen kann entsprochen werden, wenn der katholische Religionsunterricht gewährleistet bleibt – Analog gilt dies für die besondere Situation z.B. in den neuen Bundesländern, wenn Regelungen getroffen werden, die eine Aufnahme nicht getaufter Schülerinnen und Schüler in größerer Zahl ermöglicht.“ Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hg.), Die bildende Kraft des Religionsunterrichts. Zur Konfessionalität des katholischen Religionsunterrichts, Bonn, 1976, S. 79
44 FAZ vom 20.3.97
45 ebda
46 Pressestelle Bundesverband der Gemeindreferenten/innen und Religionslehrer/innen, Nürnberg, e-mail vom 10.11.97 „Religionsunterricht stärken – Gründung eines KED-Verbands auf Bistumsebene“
47 „Der Religionsunterricht darf ja nicht einfach von den ‚Interessen‘ der Kirchen her betrachtet werden, er hat nicht weniger Bedeutung aus der Sicht des Staates, auch wenn er nicht einfach das Vehikel einer Staatsreligion oder einer Zivilreligion ist“. Bischof Lehmann, in „Religion in der Schule – Orientierung in der offenen Gesellschaft, a.a.O., S. 3
48 Pater Augustinus Heinrich Graf Henckel von Donnersmarck (Katholisches Büro, Bonn), „Ersatzfach – ja, aber: Wer bestimmt die Inhalte“, in der GEW-Zeitschrift nds 8/96 S. 3
49 So z.B. in RL, Zeitschrift für Religionsunterricht und Lebenskunde 25, 1996, Benno Bühlmann: Ethik-Unterricht als neue Herausforderung, zitiert nach Deutsche Lehrerzeitung 35-36/97 vom 4.9.97
50 Deutsche Bischofskonferenz, Die bildende Kraft des Religionsunterrichts, a.a.O., 22
51 Kamphaus sagte, „er werde sich von der Instruktion nicht beirren lassen“ (in: Bischof unterstützt Protest von ‚Wir sind die Kirche‘, in Frankfurter Rundschau vom 17.11.97)
52 „Wenn das Lehramt hinterherhinkt“, Badische Zeitung vom 19.11.97
53 Kardinal Wetter fordert anderes Abtreibungsrecht, Frankfurter Rundschau 28.1.98: „Der Münchner Erzbischof… hat den Gesetzgeber zu einer Neuregelung des Abtreibungsrechts aufgefordert. Wetter sagte am Dienstag in München, nach dem Brief des Papstes müsse sich auf ’staatlich-politischer Seite etwas bewegen.'“ Vgl. auch: „Bischof Saier will neue Abtreibungsdebatte, Badische Zeitung 4.2.98
54 „Nimmt der Staat das Monopol in Bildung und Erziehung für sich in Anspruch, dann ist er totalitär.“ Deutsche Bischofskonferenz, Die bildende Kraft des Religionsunterrichts, a.a.O., S. 22
55 Antje Vollmer, Die Kirche ist in schlechter Form – Ein Fall fürs Museum? Die grüne Politikerin macht sich Sorgen um die deutschen Protestanten, in: Das Sonntagsblatt Nr. 49 vom 5.12.97, S. 6f. , S. 6
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