Diesen Satz sagte am Samstag eine Bekannte, die ich beim Spaziergang traf. Sie meinte natürlich „tot durch Corona“.
In Deutschland sterben jedes Jahr 900 000 Menschen. Ich habe gerade noch mal beim statistischen Bundesamt nachgeschaut (Daten für 2020 bis zum 31.10.20 im Vergleich von 2016 bis 2020): Es wird nicht mehr gestorben als in den vergangenen Jahren. Oder wissenschaftlicher ausgedrückt: Es gibt keine Übersterblichkeit.
Aber angesichts des medialen Overkills finde ich solche „Schlussfolgerungen“, solche Ängste wie die dieser Bekannten vielleicht nicht sonderlich rational, aber sehr wohl nachvollziehbar. Aber welche Folgen hat das?
Die WHO-Studie von Prof. Ioannnidis wurde ausführlich im Spiegel kritisiert. Im Forum dazu, schrieb ein Leser:
„Seriöse wissenschaftliche Berichte gehen davon aus, dass in Deutschland pro Tag durchschnittlich rund 40 Menschen an ärztlichen Kunstfehlern versterben. Die 15.000 weiteren Menschen, die in Deutschland pro Jahr im Zusammenhang mit Methicillin-resistente Staphylococcus aureus-Stämme – kurz MRSA (= „Krankenhauskeim“) versterben sind da noch nicht eingerechnet.
Nun die Frage: wie schätzt Ihr das Verhältnis zwischen der Artikelzahl über die ärztlichen Kunstfehler und Covid ein? Und wie das Verhältnis der Artikelzahl über MRSA und Covid? …Und wieviele „Brennpunkte“ hat es zu den ärztlichen Kunstfehlern schon geben oder zum Krankenhauskeim? Wieviele Sondersendungen von ARD und ZDF? …“
Ergänzend – und um ein kleines bisschen von unserem Euro- oder Germanozentrismus wegzukommen:
2018 sind nach aktuellen Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO etwa 140.000 Menschen an den Folgen einer Infektion mit Masern gestorben, zumeist Kinder unter fünf Jahren. Das sind 16.000 mehr als im Vorjahr.
Durch die Fokussierung auf Corona hat das Auswirkungen:
„Gestoppte Impfprogramme. Mehr als 100 Millionen Kinder durch Masern gefährdet
Weil viele Länder im Kampf gegen das Coronavirus ihre Impfprogramme zurückfahren, könnten Millionen Kinder weltweit an Masern erkranken.“
Die Zahlen für Malaria lass ich weg, hatte ich schon vor Monaten in „Unsere tägliche Triage“ angeführt.
Einmal mehr: Energy flows where attention goes.
Aber nun noch ein Beitrag zur Diskussion der Mortalität durch/mit Corona aus der Schweiz: Auf der Website www.infekt.ch , einer Seite die ich sehr schätze und die sehr zügig arbeitet (nicht zu verwechseln mit www.infekt.de, da kommt man auf Pfizer), wird über die unterschiedliche Mortalitätsrate bei der ersten und der zweiten „Welle“ diskutiert „..während in der ersten Welle eine steile Kurve einen deutlichen Anstieg der Mortalität bereits bei wenig erhöhten Fallzahlen zeigte, zeigt die deutlich flachere Kurve während der zweiten Periode einen ganz anderen Zusammenhang. Anders ausgedrückt: Es zeigt sich hier, dass die Mortalität zwar mit den erhöhten Fallzahlen ebenfalls wieder steigt, aber der Anstieg fällt in Relation zu den Fallzahlen deutlich geringer aus. Als mögliche Gründe wurden die erhöhte Testung genannt, dies sei aber als Begründung nicht hinreichend. Weitere Gründe könnten sein:
- jüngeres Alter der infizierten Personen und damit eine geringere Mortalität. Allerdings ist die Altersstruktur in den letzten Wochen wieder ähnlich wie in der ersten Welle
- Veränderung des Virus: Diese Hypothese wurde im letzten Bericht ausführlich diskutiert.
- Bessere Behandlung: Auch dieser Faktor könnte die Mortalität verändern. Doch, gemessen an den massiv erhöhten Fallzahlen haben die Hospitalisationszahlen nicht gleichmässig zugenommen.
Keine einfache Situation, keine einfachen Antworten, keine einfache Lösung.
Deshalb ist das so wichtig, was Prof. Windeler am 29.10.20 schreibt „Wir sollten einander wieder zuhören“. https://www.sueddeutsche.de/meinung/corona-debattenkultur-gastbeitrag-1.5095534!amp
Ich fasse den Artikel gleich kurz im nächsten Beitrag zusammen.