Der Autor des Artikels “Wir sollten einander wieder zuhören“ vom 29.10 in der Süddeutschen, Prof. Dr. Windeler, ist Direktor des IQWiG . Er spricht mir mit seinem Ansatz aus dem Herzen.
Windeler schreibt u.a.
„Wer in den letzten Monaten Zweifel geäußert hat, der konnte erleben, dass das Fragen als solches bereits als eine Form von Häresie betrachtet wurde. Das konnte im Kleinen wie im Großen passieren. Und egal, ob man Zweifel an einzelnen Zahlen, Verlautbarungen oder Entscheidungen beziehungsweise deren Begründung hatte, oder man es wagte, auf einzelne Inkonsistenzen und Ungereimtheiten hinzuweisen, blitzschnell konnte man sich in der Kiste der „Relativierer“, „Verharmloser“ oder gleich der „Covidioten“ wiederfinden.
Auch Qualitätsmedien gelang es zuweilen nicht mehr, zwischen Fragen und Verschwörung zu unterscheiden. Das hat Wirkung gezeigt: Ich kenne eine Reihe von Kolleginnen und Kollegen, die sich sehr sorgfältig überlegen, ihre Fragen noch zu äußern – aus Sorge, mit den „Aluhüten“ in einen Topf geworfen zu werden. Man hätte meinen können, dass sich die Schärfe der Positionen und der gegenseitigen Unterstellungen und Vorwürfe mit der Zeit abschleift. Die heftigen Reaktionen auf die Stellungnahme des DNEbM belegen leider das Gegenteil…..
Auch wenn man offensichtlichen Unsinn (‚Das Virus gibt es nicht‘“) als solchen benennen sollte, so ist doch die Idee, in der Wissenschaft jederzeit zuverlässig zwischen falsch und richtig unterscheiden zu können, unrealistisch. Sie wird aber dann anmaßend und polarisierend, wenn mit falsch und richtig auch gut und böse assoziiert wird.“
Ich wäre bei dieser Diskussionskultur dabei, die Windeler vorschlägt: Zuhören, Zweifel ernst nehmen, um Verständnis für die Position des anderen bemüht sein, von der Möglichkeit ausgehen, dass man sich irrt. Dass es so weit gekommen ist, dass man „sich sorgfältig überlegen“ muss, ob man überhaupt noch Fragen stellt, das finde ich verheerend! Aber ich selbst kenne aus meinem Umfeld etliche solche „verstummenden“ Stimmen.Und ich spüre an mir selbst, wie emotional ich in dieser Diskussion immer wieder werde und mich zurückpfeifen muss.
Der Vollständigkeit halber: Die Stellungnahme des Netzwerks für Evidenzbasierte Medizin, „Covid-19: Wo ist die Evidenz?“ auf die sich Prof. Dr. Windeler bezieht, findet sich mehrmal aktualisiert unter https://www.ebm-netzwerk.de/de/veroeffentlichungen/covid-19
Und die Antwort auf die erwähnten „kritischen Stimmen“ hier: https://www.ebm-netzwerk.de/de/veroeffentlichungen/erwiderung-kritik-stellungnahme-covid19